■ Die Rebellen lassen sich nicht so einfach integrieren
: Wohin driftet Albanien?

Präsident Sali Berisha sollte zurücktreten.

Mit dem Angebot Berishas, Neuwahlen auszuschreiben, eine Regierung der Nationalen Versöhnung zu bilden und die Frist für die Niederlegung der Waffen zu verlängern, scheint sich die Lage in Albanien zu beruhigen. Sowohl die internationale Öffentlichkeit als auch die hauptstädtischen Opposition atmen deshalb auf.

Ob jedoch das Angebot ausreicht, um die Rebellen tatsächlich wieder in den Staat zu integrieren, muß bezweifelt werden. Selbst Neuwahlen könnten sich bald als untauglich erweisen. Denn die wichtigste Forderung der Aufständischen, der Rücktritt Berishas, wird nicht erfüllt. Und auch die Regierung der nationalen Versöhnung braucht nicht unbedingt dem Geschmack der Menschen entsprechen, die einen regelrechten Volksaufstand gewagt haben.

Wichtiger jedoch ist, daß in den Aufstandsgebieten bisher noch keine Autorität entstanden ist, die in der Lage wäre, einen politischen Kompromiß zu schließen oder die Entwaffnung anzuordnen. Denn es handelt sich um einen Aufstand, der in Anarchie geführt hat. Es gibt zwar Volksversammlungen, die über die Politik entscheiden sollen, den Ton über das, was zu tun ist, geben jedoch die bewaffneten Rebellen an.

Wie sollen unter solchen Bedingungen so weitreichende Entscheidungen zustande kommen? Wer soll die Entwaffnung der Aufständischen durchführen? Diese wissen um ihre Stärke und um die politische Sympathie, die sie in der Bevölkerung genießen. Wäre der Ausnahmezustand nicht verhängt worden, hätten sich wahrscheinlich weit mehr Städte und Regionen dem Aufstand angeschlossen. Denn die anfänglich durchaus glaubwürdige Politik der Demokratischen Partei ist inzwischen in Willkürherrschaft umgeschlagen. Und die Geheimpolizei des Regimes reagiert mit Folter und Gewalt.

Wenn die Aufständischen sich nach sieben Tagen weiterhin weigern, die Waffen niederzulegen, was wahrscheinlich ist, hat Sali Berisha im Grunde nur noch zwei Möglichkeiten: er könnte auf Zeit spielen, die Rebellion aushungern und schließlich mit der Armee und seinen Sondertruppen durchgreifen. Eine solche Strategie würde jedoch in einen offenen und möglicherweise lang anhaltenden Bürgerkrieg führen. Tritt er dagegen als Präsident zurück, bestünde noch die Aussicht auf eine friedliche Lösung. Erich Rathfelder