: Dritter Kriegsverbrecherprozeß in Den Haag
■ Angeklagt sind drei Muslime und ein Kroate wegen Mordes und Vergewaltigung
Den Haag (AP/AFP/taz) – Das internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag sitzt seit gestern im dritten Prozeß wegen Kriegsgreuel in Bosnien über drei Muslime und einen Kroaten zu Gericht. Den Angeklagten werden Vergewaltigung, Folter und Mord an Serben in einem Gefangenenlager in Mittelbosnien vorgeworfen. Nach drei Stunden Verhandlungsdauer und hitzigen Beschwerden der zahlreichen Anwälte wurde der Prozeß auf heute vertagt.
Wegen eines Bombenalarms mußte das Gebäude des UN-Tribunals sowie ein benachbartes Bürohaus am Mittag geräumt werden. Nach Angaben eines AFP- Korrespondenten fanden Sicherheitskräfte ein verdächtiges Paket. Die Polizei sperrte das Gelände weiträumig ab. Die Pressestelle des Tribunals gab zunächst keinerlei Erklärung ab.
Ankläger Eric Ostberg erklärte zu Beginn des Prozesses, in dem Lager Celebići seien Serben umgebracht, gefoltert und vergewaltigt worden. Die Taten hätten Wachen und außenstehende Personen begangen. Laut Anklage wurden 14 Menschen in dem Lager auf bestialische Weise ermordet. 76 Zeugen sind aufgerufen.
Angeklagt sind der 49jährige Zejnil Delalić, Militärkommandeur der Region, in der sich das Camp befand, dr 41 Jahre alte Kroate Zdravko Mucić, Kommandant des Lagers, und der 36 Jahre alte Muslim Hazim Delić, sein Stellvertreter. Vierter Angeklagter ist der 23jährige Wachmann Esad Landzo. Delalić und Mucić werden beschuldigt, für die Grausamkeiten verantwortlich zu sein. Delić werden vier Morde und Beteiligung an Folterungen vorgeworfen. Landzo soll fünf Menschen ermordet haben. Allen vier droht eine lebenslange Gefängnisstrafe. Der Anklage zufolge wurden Gefangene in dem Lager mit Stahlkabeln, Holzknüppeln oder Metallstangen geschlagen, mit glühenden Scheren gebrannt und mit Elektroschocks gefoltert. Ein Mann sei gestorben, nachdem ein Abzeichen der SDA-Partei an seinen Kopf genagelt worden sei. Außerdem gibt es Berichte über Vergewaltigungen und sexuelle Mißhandlungen.
Das Internationale Rote Kreuz berichtete im August 1992 über die Greueltaten in Celebići. Wenige Monate später wurde das Lager geschlossen, zahlreiche Serben entlassen oder verlegt. Einige der Insassen berichteten, der heutige bosnische Präsident Alia Izetbegović habe das Lager 1992 besucht.
Gegenwärtig läuft noch der Prozeß gegen den Serben Tadić. Verurteilt wurde bisher als einziger der bosnische Kroate Erdemović.
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