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Hamburger Billigflaggschiff blockiert

ÖTV stört Anlegemanöver, um Reederei zu Tarifverträgen zu zwingen  ■ Von Ulrike Winkelmann

Eine Stunde lang hatten die rund fünfzig Gewerkschaftskämpfer und eine -kämpferin von der ÖTV und Hafenarbeiter gestern Mittag verhindern können, daß die „Tanger“am Schuppen 81 im Oderhafen festmachte. Dann rollte nicht nur die Polizei an. „Wir befürchteten, daß das Schiff bei seinen Anlegeversuchen gegen die Kaimauer prallen könnte und wir dann für den Schaden haften müßten“, erläuterte ÖTVler Helmut Pommerenck. Die Gewerkschafter hatten das Schiff blockieren wollen, weil sie als Untergruppe der Internationalen Transportarbeiter Föderation (ITF) sichere Tarifverträge für die Besatzung der „Tanger“fordern.

Die „Tanger“kennt man bei der ÖTV bereits. Ihr Heimathafen ist Hamburg, sie gehört der Oldenburger Portugiesischen Dampfschiffreederei (OPDR), die sie unter der bunten Billigflagge Antiguas fahren läßt. „Die Reederei ist berühmt-berüchtigt für ihre Ausflaggungspolitik“, erklärte Pommerenck. Bei Sondierungsgesprächen zu Tariflöhnen für ihre Seeleute hat sich die OPDR bislang besonders taub gestellt. Für kommenden Mai sind europaweite Aktionen geplant, doch die „Tanger“wollte sich die Gewerkschaft schon mal vornehmen.

„Ziel der Aktion ist es“, sagte der Hamburger ITF-Sekretär Ulf Christiansen, „den Reeder dazu zu bewegen, Tariflohnverträge nach ITF-Standard mit uns zu vereinbaren“. Dieser betrage derzeit 1600 Dollar pro Monat; die „Tanger“-Besatzung erhalte derzeit Heuern von 700 bis höchstens 800 Dollar.

Die Seeleute, überwiegend Männer von den Philippinen, schauten gestern verdutzt auf das Treiben am Schuppen und die englischen und deutschen Transparente: „Für sichere Arbeitsplätze, gegen Umweltzerstörung und Sozialdumping, weg mit den Billigflaggen.“Genausowenig wie ihr Kapitän („kein Kommentar“) reagierten sie auf Zurufe. „Wir kämpfen für deren Löhne, aber auch für die meiner Enkel“, sagte der 57jährige Pommerenck. „Wir wissen, daß wir die Folgen des internationalen Wettbewerbs nicht verhindern können. Aber wir können sie ein bißchen aufhalten.“Mit ähnlichen Blockadeaktionen im Hamburger Hafen, auch mit Störaktionen beim Lade- und Löschbetrieb, seien im vergangenen Jahr 22 Tarifverträge für ausländische Seeleute erstritten worden.

„Sisyphusarbeit“, urteilt Rolf Geffken, Rechtsanwalt und Spezialist für Seefragen. „Die ITF kann zwar mit solchen Boykottaktionen schon seit 1958 das Schlimmste verhindern.“Weil jedoch die Seeleute oft nach kurzer Zeit abmusterten und auch ausländerrechtlich einen sehr unsicheren Status hätten, „fängt die nächste Besatzung wieder mit Billiglöhnen an“.

Ein Vetreter der OPDR, der sich am Kai zu den ÖTVlern gesellte, verwies auf den internationalen Konkurrenzdruck, dem die deutschen Reeder ausgesetzt seien. Gegen 16.30 Uhr, eine halbe Stunde später als geplant, wurde trotz der Störmanöver am Schuppen 81 mit der Löschung der Ladung begonnen. Die Gewerkschafter wollten noch bis in den Abend vor Ort bleiben.

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