: Zum Hilfspersonal degradiert
■ betr.: „Wer gehört auf die Couch?“ taz vom 18.2. 97, Leser brief „Fortbildungsnachweis ist ein Witz“, taz vom 28.2. 97
[...] Faktisch gewährleisten psychologische Psychotherapeuten im Kostenerstattungsverfahren 50 Prozent der gesamten psychotherapeutischen Versorgung. Diese Kostenerstattler arbeiten dem Selbstverständnis eines freien und selbständigen akademischen Gesundheitsberufes entsprechend, eigenverantwortlich und ohne ein direktes Untergebenenverhältnis zu einem Arzt. Neben der für psychotherapeutisches Arbeiten unabdingbaren Grundqualifikation, die das Psychologiestudium vermittelt, verfügen praktisch alle Kostenerstattler über nicht nur eine abgeschlossene psychotherapeutische Zusatzausbildung.
Nur gerade darum geht es: Moderne psychotherapeutische Zusatzausbildung, die eine Weiterentwicklung herkömmlicher Verfahren darstellen, wie Systemische Psychotherapie (Familientherapie), Hypnotherapie, Psychodrama und andere humanistische Verfahren, sollen aus Konkurrenzgründen nicht zugelassen werden, obwohl sie faktisch und wissenschaftlich nachgewiesen ihre Effektivität längst erwiesen haben. Klaus Mücke, Dipl.-Psych.,
Psychotherapeut/Supervisor
BDP u.a.m.
Seit über 20 Jahren arbeite ich als psychologischer Psychotherapeut. Zusammen mit vielen Kollegen unterstütze ich den jahrzehntelangen Kampf für ein Psychotherapeutengesetz. Denn die Zustände sind unhaltbar: Wer heute eine Kassenzulassung beantragt, muß als Psychologe unter einem Arzt arbeiten, der die Patienten zuweist, die Therapieanträge stellt und die Gelder abrechnet. Da der Psychologe zum Hilfspersonal degradiert wird, haben mehr als 50 Prozent aller Kollegen diese Kassenregelung abgelehnt. Dennoch konnten sie durch Verträge zwischen den Berufsverbänden und zahlreichen Krankenkassen ihre Leistungen abrechnen und auf diese Weise erfolgreich den Therapienotstand lindern. Dies hat die Kassenärztliche Vereinigung jetzt durch ein Gerichtsurteil verbieten lassen.
Auf dem Rücken der Patienten und sehr erfahrener Psychotherapeuten wird durch die Kassenärztliche Vereinigung ein Kampf um Geld und Macht ausgetragen. Tausende Patienten sollen ihre laufenden Therapien beenden, Hunderte Therapiepraxen werden allein in Berlin schließen müssen. All dies ist möglich, weil die psychologischen Psychotherapeuten noch immer auf der Grundlage des Heilpraktikergesetzes aus dem Jahre 1939 arbeiten müssen. Es ist höchste Zeit, daß die Krankenkassen selbst entscheiden, welche Therapeuten sie finanzieren. Der Ärztelobby muß endlich Einhalt geboten werden. Dr. Wolfgang Krüger,
Dipl-Psych., Psychotherapeut
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