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■ Filmstarts à la carteWalter, der Supermann des Sozialismus

Er zeigt sich an allem interessiert, ist allseits kompetent und für alles und jedes höchstselbst verantwortlich: Walter Ulbricht ist der Supermann der DDR und der „Baumeister des Sozialismus“ – zumindest, wenn man dem gleichnamigen Dokumentarfilm von Theo Grandy und Ella Ensink Glauben schenkt, der 1953 aus Anlaß des 60. Geburtstags des Ersten Sekretärs des ZKs der SED entstand.

Doch scheinbar hatte man das Ausmaß von Ulbrichts Popularität damals geringfügig mißinterpretiert: Der Aufstand des 17. Juni beendete die Vorbereitungen für die Jubelfeiern zu seinem Ehrentage; der Film verschwand sang- und klanglos im Archiv. Erst 44 Jahre nach seiner Entstehung erlebt der „Baumeister des Sozialismus“ nun seine Uraufführung im Rahmen einer Filmreihe im Zeughauskino, mit der die Ausstellung „Parteiauftrag: Ein neues Deutschland“ im Deutschen Historischen Museum begleitet wird.

Da sich die Zeiten bekanntlich ein wenig verändert haben, mutet der vom „Baumeister“ betriebene Personenkult heute fast wie eine groteske Parodie an. Johannes R. Becher führt im Stile eines Märchenonkels durch die Kindheit des großen Vorsitzenden, und der von Stephan Hermlin geschriebene Kommentar weiß zu berichten, daß der junge Walter „kaum, daß er lesen konnte, seinen Eltern immer aus dem Arbeiterblatt vorlas“.

Den Nationalsozialismus konnte Ulricht dann ja leider nicht verhindern, dafür zog er in seinem Exil, wo sich die Weizenfelder sozialistisch-friedlich im Winde wiegten und fröhliche Traktoristinnen freudestrahlend im Schatten der Stalin-Denkmale lustwandelten, die richtige Konsequenz für die Zukunft: „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen.“ Und während eine pompöse Musik den Film unter sich begräbt, baut Ulricht folgerichtig die DDR eigenhändig auf: Er schafft Trümmer weg, legt Grundsteine und weiht Fabriken ein (das Josef-Stalin-Gedächtniswalzwerk oder so ähnlich). Dabei bricht sich der Fortschrittsglaube mit verblüffend fröhlicher Naivität Bahn: „Wo eben noch der Oderwald stand, befindet sich jetzt eines der größten Stahlwerke Europas“, jubiliert da beispielsweise der Kommentar.

Als Staatsmann pflegt Ulbricht die Kontakte zum sozialistischen Ausland (was sich in endlosem Händeschütteln manifestiert) und überbringt Grüße zu Stalins 70. Geburtstag (ein Ereignis von weltpolitischer Tragweite). Aber: „Immer wieder ist Walter Ulbricht unter den Arbeitern zu finden. Er untersucht auch die Lage an Ort und Stelle.“ Das ist wirklich nett von ihm und führt zur fraglos schönsten Stelle des Films: „Man ist mit dem Bürgermeister unzufrieden. Das wollen wir uns gleich mal ansehen... Walter Ulbricht hat mit dem Bürgermeister gesprochen. Kein Zweifel, der Mann ist unfähig.“ Über das weitere Schicksal des Mannes ist nichts bekannt, Walter hingegen wurde 1960 sogar zum Staatschef befördert und konnte seinem Drang zum Bauen anschließend ungehindert nachkommen.

17./20.3. im Zeughauskino

Auch in einem anderen Film, der dieser Tage unsere Lichtspieltheater erreichte, wird Personenkult pur betrieben. Der Kinopionier Colin McKenzie hat im Bereich der Filmtechnik und -ästhetik nämlich einfach alles erfunden, was es zu erfinden gab: den Tonfilm, den Farbfilm, die erste Kamerafahrt, die erste Großaufnahme. Allerdings: Im Gegensatz zu Walter Ulbricht ist Colin McKenzie nur eine erfundene Figur, und „Forgotten Silver“ erweist sich als liebevolle Parodie der neuseeländischen Regisseure Peter Jackson und Costa Botes auf filmhistorische Dokumentationen. Da kommen Filmarchivare und -historiker zu Wort, Stummfilme werden restauriert, und Expeditionen brechen zu längst vom Urwald überwuchertebn Monumentaldekorationen eines Bibelfilms auf. Witzig ist es, weil das alles stets haarscharf danebengerät und weil dem fiktiven Genie das Pech an den Hacken klebt: So führen ihn beispielsweise seine bahnbrechenden Farbexperimente auf Tahiti – wegen Verbreitung obszönen Materials – geradewegs ins Zuchthaus. Das Kontrastprogramm zum Baumeister.

Eiszeit2; 14./15.3. Central 1 Lars Penning

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