Frisch geblecht ist halb gekagelt

■ Hau die Biennale: Die Slagwerkgroep Den Haag räumt den Kammermusiksaal der Philharmonie mit einer 25 Jahre alten Komposition von Mauricio Kagel

Es kam so, wie es kommen mußte. Auf der Bühne schlägt einer wie ein Berserker auf ein verbeultes Blech, das Publikum in der ersten Reihe hält sich die Ohren zu, die hinteren Ränge lichten sich. Traurige Tröten zimbeln, dudeln und kageln, meckernde Stimmchen erheben sich in die Luft. Bunte Trommeln, ein notdürftig zusammengebundenes Xylophon, ein Harmonium im Schubladenformat.

Was noch keine Uraufführung der diesjährigen Biennale vermochte – Mauricio Kagels „Exotika“, jene 25 Jahre alte Parodie auf die damals modische Fernostduselei in der Musik, hat es geschafft: Das Publikum ist aufgerührt, aus der Reserve gelockt und empört.

Allerdings konnte das Konzert der Slagwerkgroep Den Haag derartigen Rummel zum Schluß auch ganz gut vertragen, wurden doch vor der Pause drei völlig disparate Stücke merkwürdig blutleer aneinandergereiht. Wie ein Baroameter zeigte „Six“ von John Cage, lässig und mit Blick auf die Stoppuhr interpretiert, die fehlende Atmosphäre in der Philharmonie. Ein Schnarren hier, ein Windhauch da – und das Stück ist vorbei, noch ehe es richtig stattgefunden hat.

Zwielichtig blieb der Eindruck von Param Virs Biennale-Auftragswerk „Ultimate Words, infinite Song“. Die letzten Gedanken des von den Nazis zum Tode verurteilten Kim Malte-Bruun – das ist harter Stoff, dem Musik kaum gerecht werden kann.

Der indische Komponist (der sich paradoxerweise zu Zeiten der größten Indienmode vorwiegend am Westen orientierte) ringt in diesem Werk für Bariton, Klavier und Percussion um Ausdruck für das Unsagbare. Brutale Ausbrüche, eruptive Wogen und niedergeknüppelte Emotionen rumoren im Schlagwerk, während der Bariton in Belcanto-Manier lyrisch über allem thront – das wirkt manchmal, als habe Vir zwei verschiedene Musiken zusammengesperrt, seltsam, unpassend und allzuoft dick aufgetragen.

So ist denn das, was am Schluß die Gemüter bewegt, weniger das Schicksal des Kim Malte-Bruun als vielmehr die Frage, ob Kagel mit seiner Parodie wirklich nur den Exotismus der westlichen Länder und nicht vielmehr auch Musiktraditionen der asiatischen Länder verkackeiert.

Und das ist dann wieder ein alter Streit, der auch in Zukunft so schnell nicht wird geschlichtet werden können. Christine Hohmeyer