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Militärische Zurückhaltung

■ Europas Regierungen im Zweifel: Wie kann Albanien befriedet werden?

Je tiefer Albanien im Chaos versinkt, desto größer wird die Ratlosigkeit bei den europäischen Institutionen. An Ermahnungen und Warnungen hat es keine Regierung mangeln lassen. Ihr direktes Eingreifen jedoch beschränkte sich bislang darauf, die eigenen Leute in Sicherheit zu bringen.

Die Bitte der albanischen Führung und aller Parteien im Lande um eine militärische Intervention stellt die Europäer vor die Gretchenfrage: Wie kann Albanien befriedet werden? Ist eine militärische Intervention unumgänglich? Wer soll und kann die Waffen wieder einsammeln? Fundiert erkannt haben alle Organisationen und Regierungen, daß die Lage „instabil und sehr kompliziert“ ist. Doch die Option auf ein operatives und wenn möglich einheitliches Vorgehen der Europäer gibt es nicht.

Die EU-Außenminister beraten heute im niederländischen Apeldoorn. Der Ratsvorsitzende, Hollands Ministerpräsident Wim Kok, hatte keine Antwort auf die Frage, welche Unterstützung Europa leisten könne. Bundeskanzler Helmut Kohl sprach sich entschieden gegen militärische Maßnahmen aus, da er nicht zu sagen wüßte, mit welchem Auftrag die Soldaten ins Land geschickt werden sollten. Bereitschaft zu einer Polizei- oder Militäraktion in Albanien äußerten dagegen Spanien, Griechenland und Italien. Dänemark will seine Blauhelme einer möglichen Operation der Europäer oder der UNO unterstellen.

Die Westeuropäische Verteidigungsunion (WEU), der europäische Arm der Nato, der gestern in Brüssel beriet, gab keine Stellungnahme zu dem Hilfeersuchen der albanischen Regierung ab. Die WEU versprach statt dessen der EU und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ihre „volle Unterstützung“. So ist auch eine Erklärung gehalten, die der UN-Sicherheitsrat gestern verabschiedete. Nicht anders die Haltung des westlichen Militärbündnisses. Der Nato-Rat, der gestern in Brüssel tagte, bereitet nach Angaben von Diplomaten „nichts vor“, weil es in der Nato keinen Konsens über ein militärisches Eingreifen gebe.

Die Vermittlung im Konflikt wird damit auf die Schultern der OSZE abgeladen. Gestern mittag verhandelte deren Gesandter Franz Vranitzky mit dem neuen albanischen Regierungschef Bashkim Fino auf einem italienischen Kriegsschiff. Vranitzky sprach sich danach für ein militärisches Eingreifen in Albanien aus. Georg Baltissen

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