: Bebauung unmöglich
■ Laut Gutachten ist das Aldo-Rossi-Projekt am Leipziger Platz ohne Neubau des U-Bahn-Tunnels nicht machbar
Gelbe, grüne, rote und blaue Stadthäuser und in der Mitte der Cirque de Soleil – als vor einem Jahr der Münchner Investor Peter Kottmair seine Bebauungspläne für den nördlichen Leipziger Platz vorstellte, war sogar Stadtentwicklungsstaatssekretär Hans Stimmann aus dem Häuschen geraten. Aldo Rossi anstelle von Messels altem Wertheim-Kaufhaus – das war so recht nach dem Geschmack der Berliner Traufkantenfraktion. Doch nun droht das gesamte Projekt zu kippen.
Nachdem sich Investor Kottmair und die Treuhand-Liegenschaft-Gesellschaft (TLG) über ein Jahr lang nicht über die Sanierungskosten des unter dem Grundstück gelegenen Tunnels der U-Bahn-Linie 2 einigen konnten, belegt ein Prüfbescheid nun, daß der Tunnel gar nicht saniert werden kann. Er muß in Gänze neu gebaut werden.
In dem bereits im Februar 1988 im Auftrag der damaligen Baudirektion der Hauptstadt Berlin von der staatlichen Bauaufsicht des DDR-Bauministeriums erstellten Gutachten heißt es, daß wegen des vorhandenen Bauzustandes der Abriß der bestehenden U-Bahn- Überbauung erforderlich sei.
Der Grund dafür liege in der äußerst niedrigen Belastbarkeit der vorhandenen U-Bahn-Tunneldecke von fünf Kilonewton pro Quadratmeter, was etwa 50 Kilogramm pro Quadratmeter entspricht. Diese Belastbarkeit unter der Überbauung, heißt es im Prüfbescheid, der der taz vorliegt, „darf auch im Bauzustand nicht überschritten werden“.
Das Ergebnis des Prüfbescheids steht in direktem Widerspruch zu den Aussagen des Landes Berlin. Noch im Juni vergangenen Jahres hatte Finanzstaatssekretär Frank Bielka (SPD) erklärt, daß es für eine Sanierung des Tunnels keinen Handlungsbedarf gebe. Der Tunnel, so Bielka, sei funktionsfähig und müsse lediglich abgestützt werden. Bielka stützte damit die Auffassung der TLG, die das Grundstück im Auftrag des Landes Berlin und des Bundes im September 1995 an das Münchner Investorenehepaar Peter und Isolde Kottmair verkauft hatte. „Kottmair war bei Unterzeichnung des Kaufvertrags bewußt, daß die U-Bahn-Röhre sanierungsbedürftig ist“, sagte TLG-Sprecherin Elke Schicktanz. Deshalb habe man dem Investor auf den Kaufpreis auch einen Nachlaß von 10 Millionen Mark gewährt.
Kottmair dagegen, der das 27.000 Quadratmeter große Grundstück für zirka 310 Millionen Mark erworben hatte, hatte immer wieder versichert, nichts von einer notwendigen Neubebauung der Tunnelröhre gewußt zu haben. Kottmair-Projektleiter Karl-Heinz-Mitzon erklärte, daß der Nachlaß auf den Kaufpreis lediglich für den statischen Mehraufwand der Tunnelüberbauung, nicht aber für die Tunnelerneuerung gewährt worden sei. Nach Angaben der Investoren kostet eine Erneuerung des Tunnels, während der der Betrieb der U-Bahn mindestens sechs Wochen ruhen müßte, 45 Millionen Mark.
Mit dem vorliegenden Prüfbescheid geht der Streit zwischen Kottmair und der Treuhand nun in die nächste Runde. Nach Informationen der taz verhandelt die TLG bereits mit anderen Investoren, darunter der Otto-Versand-Tochter ECE und der Allianz. Von einem notwendigen Neubau der Tunnelröhre ist bei der TLG aber noch immer keine Rede. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen