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Der ärztliche Griff unter die Gürtellinie

■ Angehender Mediziner wegen sexueller Beleidigung eines Patienten vor Gericht

Der Chirurg des Krankenhauses Friedrichshain, Harri B., war von dem Vorfall an seiner Klinik sichtlich erschüttert: „Das Schlimmste für einen Patienten ist, an einen Arzt zu geraten, der keine Ahnung hat. Das Zweitschlimmste ist, wenn einem so etwas passiert.“

B. mußte gestern im Prozeß gegen einen angehenden Kollegen aussagen, der im vergangenen Sommer im Krankenhaus Friedrichshain Arzt im Praktikum war. Der 28jährige Stefan T. steht wegen sexueller Beleidigung vor Gericht. Er durfte alleine Routineuntersuchungen machen. Bei einer solchen Gelegenheit soll er die Grenzen bei dem 17 Jahre alten Patienten Matthias H. allerdings weit überschritten haben.

Mit hochrotem Gesicht und kaum vernehmbarer Stimme schilderte Matthias H. gestern, daß er seinerzeit wegen starker Magenschmerzen in die Rettungsstelle des Krankenhauses gekommen war. Auf Geheiß von Stefan T. habe er sich im Behandlungszimmer auf eine Liege gelegt, den Oberkörper freigemacht und die Hose ausgezogen. Nachdem der Arzt ihn zunächst abgetastet habe, so Matthias H., habe der Arzt plötzlich das Glied des Patienten ergriffen und begonnen, „damit herumzuspielen“. „Auf meine Frage, ob das auch zur Behandlung gehört, hat er gesagt, ja.“ Erst als Matthias H. eigenen Bekundungen zufolge einen Samenerguß hatte, habe der Arzt aufgehört und ihm ein Tuch zum Abwischen auf den Bauch geworfen.

Der Angeklagte Stefan T. bestreitet die Vorwürfe. Nein, es sei nichts vorgefallen, was bei der Untersuchung ungewöhnlich sei. Von den Vorwürfen habe er erst von seinen Vorgesetzten erfahren. Matthias H. war nach dem Vorfall „total fertig“ aus dem Behandlungszimmer zu seinem draußen wartenden Vater gerannt. Dieser berichtete gestern als Zeuge, daß ihm sein Sohn stammelnd berichtet hatte, was ihm drinnen widerfahren sei. Der Chirurg Harri B., der zeitgleich mit Stefan T. Dienst hatte, sagte gestern vor Gericht, daß der Junge einen „absolut glaubwürdigen“ Eindruck gemacht habe. Als Arzt von solchen Vorwürfen gegen Kollegen zu hören, sei, „wie wenn einem die Beine weggezogen werden“.

Stefan T. tritt Anfang April seine nächste Stelle als Arzt im Praktikum an. Ob er im Falle einer Verurteilung die Zulassung zur Approbation erhält, ist fraglich. Nach Angaben eines Mitarbeiters der Senatsverwaltung für Gesundheit wird zwar jeder Einzelfall geprüft, bei Verbrechen, die in Verbindung mit der Ausübung der Heilkunde stehen, seien die Kriterien jedoch sehr streng. Der Prozeß wird fortgesetzt. Plutonia Plarre

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