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Ästhetisierung zu Lasten authentischer Orte

■ Gedenkstätten in Berlin und Brandenburg lehnen Holocaust-Museum ab

Die Leiter der Berliner und Brandenburger Gedenkstätten haben sich gegen die Privatinitative zur Errichtung eines „Deutschen Holocaust-Museums“ in Berlin ausgesprochen. An authentischen historischen Orten des NS-Regimes gebe es in Berlin und Brandenburg bereits mehrere große Gedenk- und Bildungsstätten von überregionaler Bedeutung, hieß es gestern in einer gemeinsamen Erklärung der Gedenkstätten-Leiter.

Eine Privatinitiative aus Hannover, der unter anderen auch Lea Rosh angehört, hatte im vergangenen Monat nach dreijähriger Vorbereitung ein Konzept für ein „Deutsches Holocaust-Museum“ in der Hauptstadt vorgestellt. Die Initiatoren berufen sich auf eine breite Unterstützung bei ihrem Vorhaben. Darunter seien 100 Museumsdirektoren und 50 Oberbürgermeister großer Städte. Auch Politiker wie Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU), Schleswig-Holsteins Regierungschefin Heide Simonis (SPD) und SPD-Vorsitzender Oskar Lafontaine gehörten zu den Befürwortern des Projekts.

Die Initiatoren gehen von einer Grundsteinlegung für das Museum im Jahr 2000 aus. Sie argumentieren, daß nur 1,2 Prozent aller Deutschen beispielsweise Gedenkstätten in Vernichtungslagern besucht hätten. Die Leiter der Gedenkstätten erklärten dagegen: „Die Aufklärungsarbeit in Deutschland muß vor allem an den vorhandenen historischen Stätten erfolgen.“ Eine Ästhetisierung und Musealisierung des Holocausts zu Lasten der vorhandenen Gedenk- und Bildungsstätten dürfe es nicht geben.

Nach den Worten der Leiter der Gedenkstätten kann sich an den authentischen Orten kein Besucher der Wirkung des unendlichen Leides, der Baracken, Haftzellen, Genickschußanlagen, Gaskammern und Krematorien entziehen. In der Ausstellung Topographie des Terrors auf dem Gelände des ehemaligen NS-Reichssicherheitshauptamtes werde über Opfer und Täter informiert. Im Haus der Wannsee-Konferenz stehe die Ermordung der europäischen Juden im Mittelpunkt von Ausstellung und Bildungsarbeit.

In der Gedenkstätte Deutscher Widerstand am Ort der ehemaligen Diensträume des Oberkommandos des Heeres und in der Hinrichtungsstätte Plötzensee werde über Widerstandsaktivitäten in Deutschland berichtet. Im Norden Berlins bei Oranienburg lägen die Konzentrationslager Sachsenhausen und das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Durch ständige und wechselnde Ausstellungen böten alle Gedenkstätten eine Einordnung des Geschehenen in größere historische Zusammenhänge. dpa

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