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659 Ermittlungsverfahren

■ Nach dem Castor-Transport ermittelt nun die Justiz wegen Landfriedensbruchs

Berlin (taz) – Dem Großeinsatz der Polizei beim Castor-Transport in das Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben folgen jetzt umfangreiche Ermittlungen der Justizbehörden. 659 Ermittlungsverfahren wurden seit dem 5. März eingeleitet – jenem Tag, an dem die Polizei in einem ihrer größten Einsätze seit Bestehen der Bundesrepublik den Transport von sechs Atommüllbehältern gegen den Protest von weit über 10.000 DemonstrantInnen und SitzblockiererInnen durchsetzte.

Nach Angaben der niedersächsischen Justizministerin Heidi Alm-Merk (SPD) handelt es sich dabei um 630 Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. In einem Fall werde wegen versuchter Gefangenenbefreiung ermittelt, 21mal wegen des Eingriffes in den Schienenverkehr. In zwei Fällen heiße der Tatvorwurf schwerer Landfriedensbruch.

Diese Zahlen werden nach den Worten der Ministerin sogar noch erheblich steigen. Die Polizei habe während der großen Sitzblockade vor dem Verladebahnhof in Dannenberg in den frühen Morgenstunden des 5. März umfangreiches Filmmaterial erstellt, das weitere Rückschlüsse auf strafbare Handlungen geben könne. Bei dieser Blockade hatten rund 7.000 DemonstrantInnen versucht, die Abfahrt der Castorbehälter ins Zwischenlager zu verhindern.

Bereits im Vorfeld der Atommülltransporte wurden 130 Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung und Landfriedensbruchs eingeleitet. 93 davon sind abgeschlossen, 10 Strafbefehle wurden erlassen. Einige Verfahren wurden eingestellt. In einer Vielzahl der Fälle, so Heidi Alm-Merk, habe es sich um Ordnungswidrigkeiten gehandelt, die an die Bußgeldbehörde abgegeben wurden.

Ermittelt wird auch auf Bundesebene. Das Bundesjustizministerium bestätigte auf Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Manfred Such, daß die Karlsruher Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit Anschlägen auf die Gleisanlagen der Deutschen Bahn AG „mehrere Ermittlungsverfahren“ nach Paragraph 129a („terroristische Vereinigung“) führt. Die Ermittlungen „richten sich gegen die unbekannten Führungskader autonomer Gruppen, die für die Planung und Koordinierung dieser Anschläge verantwortlich gemacht werden“. Das letzte dieser Verfahren sei am 26. Februar eingeleitet worden. In der Nacht auf den 25. 2. hätten Unbekannte an acht Orten „gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr mittels sogenannter Hakenkrallen verübt“ und dabei den Schienenverkehr teilweise vollständig lahmgelegt. Die zeitgleiche Ausführung der Anschläge sowie deren Übereinstimmung mit früheren Aktionen gegen Gleisanlagen sei für die Karlsruher Behörde ein Indiz, „daß sich erneut Führungskader autonomer Gruppen zusammengeschlossen haben, um Katalogtaten im Sinne von Paragraph 129a zu planen, zeitlich und örtlich zu koordinieren und ihre Durchführung durch autonome Gruppen zu veranlassen“. Wolfgang Gast

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