: Bauers Darling: Futura und Fedrina 74
■ Ernte II – Hempire strikes back: Die Zahl der Hanfbauern in NRW steigt an. Von 31 Betrieben bauten 1996 allerdings nur drei ökologisch an
Hans-Bernd Hartmann, Mitarbeiter des NRW-Hanfvereins, ist optimistisch. Akribisch hat er die ersten Anbauerfahrungen von rund 30 Hanfpionieren an Rhein und Ruhr in den letzten Monaten ausgewertet. Sein Fazit: „In diesem Jahr werden noch mehr Landwirte Nutzhanf anpflanzen.“
Alle Voraussagen und Warnungen des Hanfvereins haben sich bei der ersten Ernte bestätigt. Es gab zwar Probleme mit dem Saatgut, und auch die Ernte machte einigen Bauern zu schaffen. Doch viel gravierender war die Tatsache, daß die Industrie noch viel zu zögernd auf den nachwachsenden Rohstoff reagiert hat. „Wir als Landwirte brauchen uns nichts vorzuwerfen. Wir haben im ersten Jahr hart gearbeitet. Doch wohin mit dem Hanfstroh, wenn die Verarbeitungskapazitäten noch nicht da sind?“ fragt Hartmann. Aus der Sicht der Landwirte ist der Hanfanbau recht unproblematisch. „Die besten Sorten, die üppiges Wachstum im Münsterland wie im Bergischen Land versprechen, sind Futura und Fedrina 74“, so Hartmann. Er empfehle allen Landwirten, bei der kommenden Aussaat auf diese Marken zu setzen. Sie wachsen schnell und werden mit Unkraut fast allein fertig. Das einzige, was der Nutzhanf für ordentliches Wachstum braucht, ist ein kräftiger Schuß Stickstoffdüngung. Und da fangen die neuen Experimente in diesem Jahr an. Der Kunstdünger soll nach der Aussaat im April bei einigen Versuchsreihen durch Gülledüngung ersetzt werden. Ganz entscheidend für die Arbeit der NRW-Hanfpioniere ist der Erntezeitpunkt.
Viel Frust schaffte Brüssel im letzten Jahr. Aufgrund der EU- Beihilferegelung durften die meisten der 31 NRW-Hanfbauern ihre Ernte erst einfahren, als 50 Prozent der Samen ausgereift waren.
„Bürokratischer Blödsinn“, schimpft Hartmann. Durch diese Regelung hätten viele Landwirte den Zeitpunkt der optimalen Faserreife sinnlos verstreichen lassen müssen. Der NRW-Hanfverein will in diesem Jahr Druck machen, damit ein früherer Erntetermin allein auch aus Witterungsgründen möglich wird. „Sonst können die Hanfbauern zwar die EU-Prämie kassieren, aber kein Mensch weiß, was man im Oktober noch mit nassem Hanfstroh machen soll“, sagt Hartmann.
Der NRW-Hanfverein geht davon aus, daß in diesem Jahr doch noch mehr Landwirte auf den Hanf-Zug aufspringen. Die Rahmenbedingungen für eine regionale Verarbeitung des Hanfstrohs seien in NRW optimal. Die Firma Temafa aus Bergisch-Gladbach könne die Aufbereitung des Hanfstrohs technisch realisieren. „Alles kein Problem“, sagt Oliver Scharf, Verkaufsleiter bei Temafa. Doch Investoren halten sich in diesem Frühjahr noch zurück. „Im Grunde alles kein Problem“, beschwichtigt auch Frank Waskow, Hanfexperte beim Kölner Katalyse-Institut. Das einzige, was fehle, nicht zuletzt als besonderer Hoffnungsschimmer für die Landwirte, sei ein integriertes Forschungsprojekt. Waskow legt den Finger auf die Wunde in Sachen Hanf. „Es bringt überhaupt nichts, wenn die Bauern sich ein paar Kilo Saatgut kaufen und in diesem Jahr wieder hoffen, daß sie ihr Stroh meistbietend im Herbst verkaufen können“, meint Waskow. Die politische Unterstützung für den Hanfanbau in NRW sei selbst vor der zweiten Ernte viel zu gering. Statt ein paar tausend Mark in eine Studie über mögliche Hanfproduktlinien in Nordrhein-Westfalen zu buttern, sollte die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn lieber über ein solides Projekt nachdenken.
Die einzige Chance, die Waskow für die Hanfverarbeitung in NRW sieht, liegt in der Garngewinnung. Eine komplette Produktlinie – vom Anbau über die Erstverarbeitung bis hin zur Veredelung – könnte den Hanfpionieren wieder mehr Mut machen. „Nordrhein-Westfalen verfügt über eine alte Tradition in der Garnherstellung und der Textilverarbeitung. Hier könnte ein gut konzipiertes Forschungsprojekt ansetzen“, erklärt Waskow. Das Beispiel Österreich zeige, wie ein solches Projekt laufen könnte.
Und noch etwas gibt der Hanfexperte den Landwirten vor der zweiten legalen Aussaat zu bedenken: Nur drei der einunddreißig NRW-Hanfbauern haben im vergangenen Jahr Hanf nach ökologischen Kriterien angebaut. „Es kommt in diesem Jahr drauf an, beim Hanfanbau nicht nur im konventionellen Sinn auf Höchsterträge zu setzen. Hanf muß sich als Öko-Rohstoff etablieren“, fordert Waskow.
Wichtig sei auch die Konzentration des Hanfanbaus auf einige Regionen. Es mache wirtschaftlich und ökologisch keinen Sinn, Hanfstroh über weite Strecken zu transportieren. Waskow hat ein entsprechendes Modell zur Hand. Ähnlich wie beim Zuckerrübenanbau könnte künftig auch im Hanfanbau verfahren werden. Wie die Landwirte heute im Umkreis von einigen Kilometern rund um eine Zuckermühle Rüben anpflanzen, damit sich die Transportwege in Grenzen halten, könnten regionale Hanfanbauzentren in den nächsten Jahren entstehen.
„Zur Zeit wuselt jeder vor sich hin. Die Landwirte kaufen Saatgut, lassen sich von den Kammern beraten, und der Rest läuft nach dem Prinzip Hoffnung ab. Mehr aber auch nicht“, warnt Waskow. Hier mal ein paar hundert Quadratmeter Hanf, dort mal ein Hektar – das reiche zum Experimentieren, doch lasse sich so auf Dauer die ökologisch interessante Nutzpflanze nicht kultivieren.
Der Kölner Hanfexperte meint, daß in den letzten Monaten seit der ersten Ernte genug geredet worden sei, nun müßten endlich Taten folgen. Und zwar koordiniert und mit finanziert vom NRW- Landwirtschaftsministerium. Ohne integrierte Förderprogramme zur anstehenden zweiten Aussaat sieht Frank Waskow schwarz für die Hanfbauern in NRW. „Die Landwirte sind hoch motiviert. Doch politisch fehlt ihnen bisher noch die notwendige Rückendeckung.“ Michael Franken
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