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Unter Wasser sind wir nur Gäste

■ Zwei neue Bücher zum Thema Tauchen für Hass-Fans und Ostseeliebhaber. Unterwasserexperte Hans Hass vermittelt seine Eindrücke und Erfahrungen

„Zuerst sieht man noch die Oberfläche, an der die Wellen wie die Wolken am Himmel ihres Weges ziehen. Dann breitet sich das endlose Nichts über einem aus, und die freundlich vertraute Welt der Luft, des Sonnenlichts, der Düfte, der Klänge bleibt zurück. Eine kalte, schweigende Einsamkeit tut sich auf.“ Im vorliegenden Band „Aus der Pionierzeit des Tauchens“ faßt der weltberühmte Taucher Hans Hass noch einmal seine Expeditionsberichte aus den „frühen Jahren“ zusammen – in der gewohnten Hassschen Sprache, die sachlich die unermeßlichen Schönheiten unter Wasser schildert.

Es ist kein Schaden, wenn der vorliegende Band bereits in anderen Hans-Hass-Publikationen abgedruckte Passagen diesmal „nur“ vereint. Denn diese Bücher sind lange vergriffen, und vor allem für jugendliche LeserInnen kann es eine Bereicherung sein, die ersten eigenen Eindrücke beim Tauchen und Schnorcheln durch die Erfahrungen eines bekannten Pioniers des Unterwassersports und erfahrenen Experten zu ergänzen.

Das oben genannte Zitat ist nicht einfach ein poetisch stimmiger Auszug, sondern zeigt vielmehr exemplarisch eine wichtige Einstellung des österreichischen Autors, die er auch in einem eben in Wien geführten Interview betont: „Begeben wir uns unter die Wasseroberfläche, sind wir Gäste, Besucher in einer an sich fremden Welt. Das sollte bei all der Faszination am Tauchsport, an den neuesten Errungenschaften im Bereich Ausstattung und Geräte oder auch bei all den bejubelten Rekorden unter Wasser nicht gänzlich vergessen werden.“

Werden über Strecken Begegnungen geschildert, die weniger die Begegnung mit einem artfremden Meeresbewohner als vielmehr das Töten im Dienste der Wissenschaft zum Ziel haben, ist von heutigen Lesern zu hoffen, daß sie sich nicht durch die Beschreibung zu ähnlichen Experimenten hinreißen lassen. Hass selbst sagt in seinem Vorwort, daß er etwa die Unterwasserjagd, wie sie in den neunziger Jahren praktiziert wird, nicht unterstützt. Werden Harpunen und sogar Atemgeräte eingesetzt, gelte dies als Massenabknallen.

In diesem Sinne verwendet sich Hass in seinem Vorwort für den Schutz der Meere und seiner Bewohner. Gleich seinem französischen Kollegen Jacques Cousteau, der sich für die Rechte der künftigen Generationen und damit für die Ozeane auch vor den Vereinten Nationen einsetzt, ruft auch Hans Hass – nach dem übrigens Röhrenaale (Heteroconger hassi) benannt wurden – zum besonnenen Umgang unter Wasser auf.

Ein Buch zu den wichtigsten Tauchplätzen zwischen der Flensburger Förde über die Flügger Sandbank bis nach Kap Arkona hat sicherlich seine Berechtigung, weil die ostseetauchende Zielgruppe bisher unversorgt geblieben ist. Aber müssen die Taucher eine unpraktische Handhabung und mäßige bis schlechte Fotoqualität hinnehmen, nur weil die „Nordländer“ mit tropischer Farben- und Formenpracht unter Wasser nicht gerade gesegnet sind?

So detailliert die wirklich exzellenten Recherchen ihren Eingang in das Buch gefunden haben, so bescheiden ist der Layout- und Fotobereich. Ausgenommen von den zur Verfügung gestellten Aufnahmen der örtlichen Fremden- und Tourismusbüros und einigen Fotos von Seeskorpionen und Seenelken, wirbt die Bebilderung nicht unbedingt für den Sport in diesen Breiten. Für das mangelnde Konzept bei der Umsetzung spricht auch, daß irgendwo zwischen den Bildnachweisen und sonstigen Tips die Notfalladressen von Krankenhäusern und Dekokammern gereiht wurden – wohlgemerkt nach der ausführlichen Biographie des Herausgebers. Was ist wohl wichtiger?

Das Buch richtet sich vor allem an Taucher, die vor Ort stationiert sind oder rein zu diesem Zweck an die Küste kommen und die sich durch Sichtweiten von fünf Metern nicht abschrecken lassen. Werden Ferien- und Urlaubsaufenthalte geplant, die nicht ausschließlich der Ostsee von unten gelten, kann dieser Führer nur als eine Ergänzung empfohlen werden. Tauchen ja – Tauchtourismus nein.

Daß auf den Lebensraum Ostsee, auf Umweltschutzmaßnahmen und Artenschutz ausführlich eingegangen wird, ist eine Stärke des Buches, die man erst auf den zweiten Blick gewahr wird.

Ein gutes Fazit zieht der Herausgeber selbst: „Der Reiz des Ostseetauchganges liegt im Detail, das der Taucher suchen muß“ – und dies gilt unisono für das Buch. Carola Brezlanovitz

„Tauchplätze in der Ostsee – Flensburger Förde bis Lübecker Bucht“ von Jörg Wilhelmy, Jahr Verlag, Hamburg 1996, 176 Seiten.

„Aus der Pionierzeit des Tauchens“ von Hans Hass, Jahr Verlag, Hamburg 1996, 408 Seiten.

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