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Ein Bekenntnis zum multikulturellen Erbe der Türkei

■ Sezen Aksu ist eine Komponistin und Produzentin von Rang, die jüngeren Sängern zu einer Karriere verhilft und sich zugleich auch von ihnen inspirieren läßt

Aus der Masse der Popmusiker, die die Türkei in den letzten Jahren überrollten, ragen nur zwei wirklich heraus: Tarkan und Sezen Aksu. Sein 1993 erschienenes zweites Album „Aacayipsin“ katapultierte den damals 21jährigen Tarkan, der sich seinen Namen von einem türkischen Trash-Film-Helden borgte, direkt an die Spitze. Zwei Millionen Kassetten gingen über die Ladentische, und seine Konzerte in der Türkei sollen von über eineinhalb Millionen Fans besucht worden sein.

Bei seinen Auftritten in Deutschland feierte die Fangemeinde Tarkan euphorisch als eine Art Rückkehrer, wurde er doch in der Nähe von Frankfurt geboren und folgte erst mit 14 Jahren seiner Mutter in die Türkei. Tarkan ist einer von vielen türkischen Popstars, die in Deutschland aufgewachsen sind. „Ich vermute, wir sind dort mit ganz anderen Gefühlen groß geworden. Das hat wahrscheinlich Einfluß darauf, wie wir in der Türkei wirken“, erklärt er sich das Phänomen.

Sezen Aksus Karriere begann schon Mitte der siebziger Jahre. In den Achtzigern wurde sie berühmt als Interpretin, die mit belegter Stimme traurige Lieder anstimmte und vom Cover ihrer Kassetten stets mit wenigstens einer Träne im Auge in die Welt blickte. Aus jener Zeit stammt auch ihr Spitzname. Als „minik serçe“, kleinen Spatz, bezeichnete man sie damals, und die türkische Klatschpresse entblödet sich nicht, die Mittvierzigerin auch heute noch gelegentlich so zu nennen.

In den Neunzigern schaffte sie den Sprung in die Welt der Superstars. Als Komponistin und Produzentin von Rang verhalf sie nebenbei einer ganzen Riege ehemaliger Background-Sänger zu Solokarrieren. Das darauf gemünzte Wort von der „Sezen-Aksu-Schule“ hört sie jedoch nicht gerne: „Das ist eher eine Zuschreibung, ein großes Wort. Meiner Meinung nach handelt es sich eher um einen Austausch. Natürlich profitieren sie von meiner Berufserfahrung. Aber ich bekomme ja auch etwas von ihnen: Lebensenergie und Erneuerung. Dieser Austausch nährt nicht nur sie, sondern auch mich.“

Auch heute ist Sezen Aksu für manche Überraschung gut. Ihr nostalgisches Konzeptalbum „Ex Oriente Lux“ (Aus dem Osten kommt das Licht), eine musikalische Topographie der Türkei, schlug ein wie eine Bombe und traf den Nerv gerade auch bei einem intellektuellen Publikum, das sie früher gern als Schnulzensängerin belächelt hatte. Das kleine Meisterwerk bildet eine musikalische Synthese der vielen widerstreitenden Komponenten, die die Türkei auch heute noch ausmachen, und schlug den Bogen vom Volkslied lasischer Mütter an der Schwarzmeerküste bis zur klassischen türkischen Kunstmusik des alten Istanbuls. Ein wenig Bauchtanz- Beat, islamische Hymnen der Mevlana-Sufis und Verweise auf vorislamische Einflüsse rundeten das anatolische Panorama ab, in welches die musikalischen Traditionen der Roma, der Griechen, der Aleviten und der Armenier, allerdings wenig explizit Kurdisches einflossen. Doch auch so wurde das Album von vielen als hintergründiges gesellschaftspolitisches Statement verstanden, als Bekenntnis zur Vielfalt und zum multikulturellen Erbe der heutigen Türkei und durchaus nicht im Einklang mit dem offiziellen Geschichtsbild.

„Anatolien ist eine sehr komplexe, reichhaltige Quelle der Kulturen, ein wunderbares Mosaik. Ich habe versucht, die vielen verschiedenen musikalischen und kulturellen Farben Anatoliens in dieses Album einfließen zu lassen, soweit es der Rahmen eben erlaubt. Es ist ein kleiner Beitrag, die Vielfalt dieses Mosaiks wiederzugeben“, sagt sie dazu.

Seriöse Zeitschriften feierten sie dafür als „neue Orchesterchefin der Türkei“, eine Anspielung auf die nicht erst seit heute unbeliebte Politikerin Tansu Çiller. Dabei liegt der Musikerin Sezen Aksu öffentliches politisches Engagement eher fern. „Ich habe kein Bedürfnis, mich als Lehrerin aufzuspielen und jemandem etwas beizubringen. Ich sage, was ich fühle. Aber ich finde, daß all diese künstlichen Trennungen aufgrund von Nationalität, Kultur und Hautfarbe, die von Menschen erfunden worden sind, widernatürlich sind. Es ist nur schwer möglich, daß ich als Künstlerin diese Trennungen antizipiere“, erklärt sie ausweichend.

Vor kurzem hat sie sich ausnahmsweise doch einmal zu Wort gemeldet. Sezen Aksu zählte zu den zahlreichen Prominenten, die öffentlich dazu aufriefen, aus Protest gegen die korruptionszerfressene Regierung in Ankara abends um neun Uhr die Lichter auszuschalten. Und so wird im Osten zur Zeit das Licht gelöscht.

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