: Wo ist Frau Kraßke?
Die Bahn AG veranstaltet am Bahnhof Zoo Tag der „Begegnungen“ mit Orgelrieke und einer Malstraße. Nur die Service-Chefin war schwer zu finden ■ Von Plutonia Plarre
Untermalt vom Donnern der Züge, präsentierte sich Berlin gestern, wie es leibt und lebt. In der Halle des Bahnhofs Zoo ließ eine Gruppe Schultheiss-Büchsen schwenkender Männer die dicken Bäuche im Takt wippen, als „Orgelrieke“ und „Schiebermaxe“ „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“ aufspielten.
Mit Musik, einem Streicheltier aus dem Zoo, einer Malstraße für Kinder und Sonderfahrten mit dem historischen Schnelltriebwagen „Görlitz“ wollte die Deutsche Bahn AG mit ihren Kunden unter dem Motto „Begegnungen“ ins Gespräch kommen. Um sich endlich die vielen Klagen über ständige Verspätungen, schlechte Verbindungen und unfreundliches Personal anzuhören? „Wir feiern heute das 115jährige Bestehen des Bahnhofs“, erklärte ein freundlicher, blau uniformierter Mann am Berlin-Tourismus-Stand. Nähere Auskünfte erteile die Managerin des Geschäftsbereichs Personenbahnhöfe, Barbara Kraßke.
Bereitwillig geleitete der junge Mann die taz-Reporterin aus der Halle zu dem im hinteren Bereich des Bahnhofs auf den Hardenbergplatz mündenden Büro. Doch die Geschäftsräume der Managerin waren verschlossen. „Bitte klopfen“ forderte ein Schild an der Tür. Aber das Klopfen blieb ohne Reaktion. Ein schräger Blick durch die Jalousie zeigte, daß drinnen eine Frau saß und telefonierte. Also Nachfrage im Nachbarbüro, einem gesonderten Geschäftsbereich für Fernverkehr. „Warum macht im Büro von Frau Kraßke keiner auf?“ Hilfloses Achselzucken beim dortigen Personal. Eine freundliche Angestellte versucht Frau Kraßke per Telefon zu erreichen. Doch der Apparat der Managerin ist besetzt, ein anderer zur Zentrale umgestellt. Auch zwei spätere Versuche der taz, durch Klopfen Einlaß zu finden, scheitern. Hinter den Jalousien rührt sich nichts. Kein Einzelfall, wissen die Angestellten im Nachbarbüro „Fernverkehr“: „In fünf von sechs Fällen landen die Leute schließlich bei uns.“
Zurück zur Haupthalle. Die Gepäckträger wissen auch nicht weiter. „Vielleicht versteckt sie sich“, unkt einer. Am Service-Point versuchen die Hostessen ihr Glück. „Wir versuchen, Frau Kraßke zu kriegen.“ Nach einem Telefonat: „Wir haben sie noch nicht, aber wir versuchen es weiter.“ Und schließlich: „Sie ist auf dem Weg hierher.“ Dann endlich die „Begegnung“ mit der Managerin des Servicebereichs, der 70 Angestellte unterstehen. Sie entpuppt sich tatsächlich als die dauertelefonierende Frau im zugesperrten Büro. Daß in ihrem Geschäftsbereich niemand erreichbar gewesen sei, sei die absolute Ausnahme, weist sie den Vorwurf häufig verschlossener Türen entrüstet zurück. Sie habe sich an diesem hektischen Tag einmal zurückziehen müssen, um in Ruhe Telefonate zu führen. Ausgesprochen freundlich – „die besondere Freundlichkeit und das kleine bißchen mehr“ ist laut Kraßke das Credo des Bahn-Service-Unternehmens – erklärt sie dann den Grund der Aktion „Begegnungen“: Imagepflege des Bahnhofs Zoo. Das Unterhaltungsprogramm und die Blumen seien als kleine Aufmerksamkeit für die täglich 90.000 Berufspendler und Reisenden in 152 Zügen gedacht. Mit den Problemen der Kunden will sich die Deutsche Bahn AG demnächst auf einem gesonderten Kundenforum befassen.
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