Havemann-Witwe gegen Verfahrensende

■ Katja Havemann ist gegen vorzeitige Einstellung des Havemann-Prozesses

Berlin (taz) – Prominente Bürgerrechtler wenden sich gegen die mögliche Einstellung des Havemann-Verfahrens vor dem Landgericht in Frankfurt (Oder). Sie würde es „bedauern“, so Havemanns Witwe Katja Havemann gestern gegenüber der taz, wenn die Beweisaufnahme vorzeitig geschlossen werde. Auch der frühere Bürgerrechtler Jürgen Fuchs, den die Stasi in der Haft erfolglos zum Kronzeugen gegen Havemann aufbauen wollte, hält davon nichts: „Rechtsfrieden kann eintreten, wenn die Fakten klar sind und die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen übernommen werden.“

Am Dienstag hatte sich eine Wende in dem seit fast zwei Jahren dahindümpelnden Havemann- Verfahren angekündigt. Erstmals hatten die sieben Angeklagten ihr Schweigen gebrochen und teilweise Reue durchblicken lassen. Daraufhin hatte der Vorsitzende Richter Joachim Dönitz von einer möglichen Einstellung noch vor dem Ende der Beweisaufnahme gesprochen. Ob die Staatsanwaltschaft auf sein Angebot eingeht, wird sich in den nächsten zwei Wochen entscheiden. Nach wie vor bestreiten jedoch alle Angeklagten, von den Stasi-Maßnahmen gegen Havemann in zwei politisch motivierten Strafverfahren 1976 und 1979 gewußt zu haben. Lediglich die leitende Mitarbeiterin in der damaligen DDR-Generalstaatsanwaltschaft, Eleonore H., räumte ein, Stasi-Kontakte gehabt zu haben – allerdings nur im Rahmen der damaligen Ermittlungen und der Strafprozeßordnung. Den zwei Staatsanwälten und fünf Richtern wird Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung vorgeworfen.

Katja Havemann meinte gestern, sie sehe die Rolle, die einzelne Angeklagte in den beiden Verfahren gegen ihren Mann spielten, „durchaus differenziert“. Sie wäre aber „enttäuscht“, wenn insbesondere Eleonore H., deren damaliges Verhalten sie noch sehr gut in Erinnerung habe, das Gerichtsgebäude ohne Urteil verlassen könnte.

Als „taktischen Schachzug“ wertete der Geschäftsführer der Berliner Havemann-Gesellschaft, Andreas Otto, daß die Angeklagten nun doch noch ausgesagt haben. Sie hofften offenbar auf eine vorzeitige Einstellung, damit der letzte Teil eines Gutachtens des Historikers Clemens Vollnhals nicht mehr im Gerichtssaal verlesen wird. In dem Konvolut wird anhand von Stasi-Akten die Zusammenarbeit von einigen Angeklagten mit der Staatssicherheit offengelegt. Andreas Otto erklärte gegenüber der taz, drei der sieben Angeklagten seien Inoffizielle Mitarbeiter (IM) gewesen. Ein IM sei „eindeutig“ durch das Vollnhals-Gutachten enttarnt worden. Das Gutachten sei wichtig, betonte auch Katja Havemann. Gerade vom letzten Teil erwarte sie „interessante Aspekte zur Bewertung der Stasi-Akten“.

Die Glaubwürdigkeit der Unterlagen war von Teilen der Verteidigung in der Vergangenheit in Zweifel gezogen worden. Severin Weiland