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Wahnsinn bei der Deutschen Post AG

■ Vom Zeitungsjournalismus zum zeitlosen Witz: Der Cartoonist André Poloczek, besser unter dem Kürzel Polo bekannt, zeichnet „alles was mir komisch erscheint“

„Nach vielen knappen Jahren bin ich jetzt endlich in der Lage mir eine neue Schreibtischlampe zu leisten“, antwortet André Poloczek auf die Frage, ob er denn von seiner Zeichnerei leben könne. Ganz so lange hat es nicht gedauert, aber von den Anfängen bis zum gefragten Cartoonisten brauchte es schon seine Zeit. Ursprünglich wollte Poloczek, besser bekannt unter seinem Kürzel Polo, Journalist werden, und damit fing auch alles an: „Ich arbeitete 1978 für die Jugendseite der Ruhrnachrichten in Haltern. Irgendwann fehlte eine Abbildung, und ich sagte, ich könne ja auch eine kleine Zeichnung machen. Also zeichnete ich, und zu meiner Verwunderung wurde es sofort abgedruckt.“

Obwohl er nach seinem Zivildienst Anfang der achtziger Jahre in Düsseldorf und Wuppertal sein Germanistik- und Soziologiestudium begann, um danach in den Journalismus einzusteigen, ließ ihn die Zeichnerei nicht los. Zuerst waren es eher tagespolitische Cartoons: „Ich machte die Erfahrung, daß es offensichtlich mehr Leute gibt, die gut schreiben, als solche, die gut zeichnen können. Es wurde vieles veröffentlicht, auch wenn es schlecht gezeichnet war, und ich bekam mehr Zuspruch als für meine Schreiberei. Irgendwann war es dann so, daß ich meine Zeichnungen besser absetzen konnte als die Texte.“ Bald merkte Polo, daß es vor allem auch mehr Spaß machte und nach einem Comic-Zeichenkurs bei F. K. Waechter beschloß er 1989, seine Passion zum Beruf zu machen.

Nach etlichen Veröffentlichungen, Ausstellungen, Titelillustrationen und einem weiteren Zeichenkurs (diesmal bei F. W. Bernstein) sowie regelmäßiger Mitarbeit bei dem DGB-Jugendmagazin ran und anderen Medien, folgte 1992 sein erster eigener Cartoonband „Arsch auf Grundeis“ beim Semmel Verlach. Mittlerweile ist er umgestiegen – weg vom politischen Cartoon, hin zum zeitlosen Witz: „Irgendwann war mir die tagespolitische Zeichnerei zu langweilig, denn als politischer Karikaturist ist man gezwungen, unelegante und offensichtliche Lösungen für die grafische Darstellung von Problemen zu finden. Außerdem muß man rasend schnell sein, diese Kurzlebigkeit ging mir auf die Nerven. Aber ich empfinde meine Cartoons immer noch als politisch, wenn auch auf anderer Ebene. Im Grunde meines Herzes bin ich Moralist, und ich empöre mich mit meinen Witzen über gesellschaftliche und menschliche Unzulänglichkeiten. Alles, was mir komisch erscheint, kommt gerade recht, ich verkneif' mir nichts.“

Bundesweit wurde man auf Polo aufmerksam, als er 1992 beim „Köpenicker Karikaturensommer“ in Berlin den Sonderpreis für einen Cartoon zum Thema „Müll“ erhielt. Der Einfluß Waechters ist heute verschwunden und einem eigenen Stil gewichen: „Am Anfang war es ohne Frage so, daß Waechter mir in die Wiege getuscht hat. Ich habe mich nicht bewußt davon entfernt, aber irgendwann kam der eigene Strich...“ Seit 1995 sind drei weitere eigene Cartoonbände beim Lappan-Verlag erscheinen, der vierte, „Viel Spaß beim Tanzen“, wurde gerade veröffentlicht. Im letzten Jahr erhielt Polo beim Berliner Karikaturensommer den ersten Preis in der Hauptkategorie „Sport“, womit sein „Durchbruch“ vollkommen war. Vom Journalismus hat er sich immer noch nicht ganz verabschiedet: „Ich schreibe zwar nicht mehr ganz soviel, aber rund zehn Prozent meiner Arbeit sind noch immer Texte.“

Daß Polo auch in den neuen Bundesländern relativ bekannt ist, führt er auf seine regelmäßige Mitarbeit beim ostdeutschen Satiremagazin Eulenspiegel zurück: „Die sind sehr früh auf mich aufmerksam geworden. Ich war einer der ersten ,Westzeichner‘, die dort veröffentlicht haben. Mittlerweile bekomme ich sogar Fanpost von Eulenspiegel-Lesern.“ Neben den Cartoonbänden, die in schöner Regelmäßigkeit erscheinen und offensichtlich den heiteren Nerv der Deutschen treffen, arbeitet er für verschiedene Zeitschriften und vergißt dabei auch seine Heimatstadt nicht. Seit rund 15 Jahren kommentiert sein „Anton von der Gathe“ Wuppertaler Stadtgeschehen bei den Wupper Nachrichten. Titelbilder und Beiträge für das Satiremagazin iTALien und den Berliner Tip machen ihm nach wie vor Spaß, auch wenn es kein oder nur wenig Honorar gibt. An seinem neuesten Projekt arbeitet er mit Ari Plikat, einem Freund und Zeichnerkollegen. Bereits im Herbst soll „Die Post geht an die Börse“ erscheinen, karikiert wird der „ganz normale Wahnsinn“ in den Filialen der Deutschen Post AG. Daß es da eine Menge Stoff gibt, weiß jeder, der von Postbediensteten schon mal an den Rand der Verzweiflung getrieben wurde. Doch mehr wird nicht verraten, außer: „Es werden nicht nur Cartoons sein.“ Rita Jäger

Aktuelle Polo-Bücher: „Cartoons für Feinschmecker“ und „Cartoons für Geburtstagskinder“, Lappan-Verlag 1996; „Viel Spaß beim Tanzen“, Lappan-Verlag 1997

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