■ Querspalte: Wie man Meinung macht
Wer viel fragt, kriegt viel Antwort. Meinungsforscher fragen besonders viel – und zuweilen paßt ihnen die Vielfalt offenbar nicht. Warum, mögen sich da ein paar Verhörspezialisten vom Hamburger Getas Institut gefragt haben, warum liefern wir die Antwort nicht gleich mit? Und dann haben sie für die aktuelle Brigitte 1.000 Leute mal ein wenig suggestiver gefragt: „Nicht artgerechte Massentierhaltung sollte ausnahmslos verboten werden“ – stimmen Sie zu? Heraus kam, daß fast alle Deutschen für artgerechte Haltung sind, 92,3 Prozent. Ein Wunder! (Auch wenn unklar bleibt, was „artgerecht“ konkret heißt.) Statt meinungszuforschen, machten die Interviewer lieber forsch Meinung. Das Überraschende sind die 5,4 Prozent, die nein antworteten.
Offenbar fehlte es den Ausfragern ein wenig an Ehrgeiz. Durch eine geschicktere Formulierung hätten sie die Zustimmung sicher höhertreiben können. Die Frage: „Sind Sie nicht auch der Meinung, daß niederträchtige Schurken nicht länger wehrlose, kuschelige Tierchen mit großen, traurigen Augen einfach in enge Käfige stopfen dürfen?“ hätte mindestens 99 Prozent Zustimmung ergattert. Und auch der hartgesottenste Fleischfanatiker hätte sicher seine Tränen nicht zurückhalten können bei der Frage „Wollen Sie sich nicht endlich auch, wie schon viele vor Ihnen, von der Last befreien, durch Ihr Schweigen mitschuldig an den grausamen Qualen unzähliger Tiere zu sein, und sind Sie also für ein Verbot nicht artgerechter Haltung?“. Aber wahrscheinlich hätten die Nervenzusammenbrüche der Befragten zu sehr aufgehalten. 100 Prozent Ja wären auch irgendwie peinlich.
Die Getas-Aushorcher unterschlugen noch andere brennende Fragen. Zwar erkundeten sie, ob die Leute „Biofleisch“ kaufen würden, wenn sie „im Supermarkt die Wahl hätten“, und ernteten stolze zwei Drittel Zustimmung. Die Nachfrage blieb aber aus: „Haben Sie heute schon mal angekündigt, etwas wirklich Gutes zu tun, etwa den Müll runterzubringen, und es doch nicht getan?“ Da wären ihnen 100 Prozent sicher gewesen. Matthias Urbach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen