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Event statt Museum

Historie wird zum Steinbruch der Erlebnisgesellschaft. Historiker und Manager im Clinch  ■ Von Christel Burghoff

Ein bißchen Revolution tut gut“, sagt Alfred Frey vom badischen Landesmuseum, der im kommenden Jubiläumsjahr (150 Jahre Demokratiebewegung) die Revolution der badischen Demokraten von 1848/49 im Karlsruher Museum ausstellen will. Das Jubiläum gilt als kulturell hochrangiges Ereignis. Busunternehmen sollen aus ganz Deutschland Sonderfahrten veranstalten. Damit es den Touristen auch bei Tisch mundet, werden zum Andenken an zwei Revolutionäre der „Hecker“- (deftig) und der „Struve-Teller“ (vegetarisch) kreiert. Obwohl diese Revolution etwas putzig daherkommen wird – auf jeden Fall nicht kopflastig wie in den Siebzigern –, kann man den Museumsmann kaum als einen Geschichtsplünderer zum Zwecke des Event-Tourismus bezeichnen. Oder doch?

Unter der Fragestellung ob „Historie zum Steinbruch der Erlebnisgesellschaft“ wird, lud die katholische Thomas-Morus-Akademie Historiker und Touristiker Mitte März zu einer Studienkonferenz nach Köln. Ihr Thema: „Römerlager, Ritterspiele, historische Routen – die touristische Nutzung der Vergangenheit“.

Etwa in Ostbayern: „Wie die Jubiläen kommen, so sollten wir sie uns zunutze machen“, berichtet Klemens Unger vom Tourismusverband aus Regensburg. Was für die touristische Belebung der Region interessant sein könnte, handelt er quasi am Stammtisch aus. Dann ziehe man Historiker hinzu, sagt Unger. Die sichten historische Quellen und bereiten vielleicht Publikationen vor. So setze man touristische Akzente.

Mittels Luther, den Staufern und Wittelsbachern, den Römern und Hexen wird in Museen und an historischen Stätten, auf Geschichtsrouten und bei Massenspektakeln Historie fürs Publikum inszeniert. Ein Museumsdirektor ist daran genauso beteiligt wie ein Tourismusverantwortlicher. Mit einem feinen Unterschied: Wenn selbstkritische Kulturschaffende wie Alfred Frey ihre Ausstellungskonzeption charakterisieren, dann werfen sie Formeln wie „Reduktion historischer Komplexität“ in die Runde. Wenn Touristiker ihre Konzepte vorstellen, dann schildern sie Erfolge. Ihr Maßstab ist der positive wirtschaftliche Effekt für die Region. Um so besser für ihr Renommee, wenn sich die Einheimischen mit dem historischen Produkt identifizieren: „Lieber Event als gar nichts“, sagt deshalb Klemens Unger, „wir schaffen mit den Events ein neues Bewußtsein.“

Dabei ist diese Art von „Identitätsstiftung historisch gesehen eine Geisterbahn“, wie Rainer Wirtz vom Rheinischen Industriemuseum Oberhausen kritisch bemerkt. Denn sie benutzt nur klingende Namen und Daten. Auf die negativen Seiten der Geschichte lasse man sich nicht gern ein, weiß auch der Historiker Bernd Hey von der Universität Bielefeld – es sei denn, sie lassen sich als „Greuel“ inszenieren. „Die saubere Fachwerkwelt deutscher Kleinstädte täuscht ja“, erklärt Hey. Im historisierenden Tourismus wird mit Glanz und Gloria die Perspektive der Herrschenden vorgeführt. Und das kommt gut an.

Der Geschichte der Herrschenden die Geschichte der Beherrschten entgegenzusetzen ist seit vierzehn Jahren das Programm der „Stattreisen“-Initiativen. Sie wollen für soziale Probleme sensibilisieren, sagt Anke Biedenkapp von Stattreisen Hannover. Dafür gibt es thematische „rote Fäden“ wie historisches Frauenleben oder die Propaganda der Nazis und den Umgang mit deren Hinterlassenschaften auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände. Rückkoppelung an den Alltag ist die Methode. Dafür geht man in der Regel zu Fuß durch die Städte, erweckt mit Details Aufmerksamkeit und provoziert Fragen. Ein Konzept des „exemplarischen Lernens“, das in fünfzehn Städten Interessenten findet.

„Event, Event, ein Museum brennt, erst eins und zwei, dann drei und vier...“ kalauert Rainer Wirtz aus Oberhausen und bringt damit das Thema auf den Punkt. Längst muß Kulturarbeit mit Eventkultur konkurrieren und zieht dabei in der Gunst des Publikums den kürzeren. In Zeiten der Knappheit öffentlicher Mittel ist Verteilungskampf angesagt. Der Blick aufs zahlende Publikum und klingende Kassen wird mehr denn je zum Maßstab politischer Entscheidungen über Fördermaßnahmen.

Wolfgang Ebert von der Deutschen Gesellschaft für Industriekultur hat auf das richtige Pferd gesattelt. Unter seiner Regie ist eine „Route der Industriekultur“ durchs Ruhrgebiet in Arbeit (sie wird das „Markenzeichen“), an der sich siebzehn Orte, mehrere Museen, Arbeitersiedlungen samt kulturellem und sportlichem Repertoire beteiligen. Daß sich denkmalgeschützte Relikte der großindustriellen Vergangenheit zu leichten Musen- und Konsumtempeln ausbauen lassen, versteht sich in diesem Konzept von selbst.

Ebert stützt sich auf einen kaum bemerkten Renner im Kulturtourismus: die Liebe zu ausrangierter Industrie. Fünf bis zehn Millionen Deutsche sind derzeit auf dem Industrietrip. „Wir haben ganz klar einen Massenmarkt“, sagt Ebert, „den müssen wir nur mit den richtigen Produkten und Labels versehen, damit er positioniert wird.“ Der designten Landschaft fehle nur noch eines: der Status eines „Nationalparks“. Amerika macht es so, England macht es, nur Deutschland macht es – noch – nicht. Wer Nationalparks mit Natur verbindet, der denke „deutsch“, meint der Marketingstratege.

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