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Im Konzert der Weltstädte

■ taz-Serie "Brennpunkt Masterplan" (Teil 6): Stadtentwicklungssenator Peter Strieder über den Alexanderplatz, das Wohneigentum, den Stadtbürger und die Aktion Sauberes Berlin

Auf einer der letzten Sitzungen des Stadtforums wurde das Thema „Wohnstadt Berlin – Miete oder Eigentum“ diskutiert. Es war die Rede davon, daß es in Berlin 450.000 „eigentumsfähige“ Haushalte gebe. Konsens bestand darin, daß verstärkt eigentumsbildende Maßnahmen getroffen werden müßten. Ist der Masterplan in dieser Frage der Stichwortgeber für einen Paradigmenwechsel, weg von der Mieterstadt?

Peter Strieder: Die Situation Berlins unterscheidet sich wegen der Sondersituation des westlichen und östlichen Teils von allen anderen europäischen und insbesondere bundesdeutschen Städten. Die Eigentumsquote ist im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten sehr gering. Es muß vermehrt Angebote zur Eigentumsbildung geben.

Ich glaube aber nicht an die Zahl von 450.000 eigentumsfähigen Haushalten. Der große Mietwohnungsanteil ist nicht nur ein Ergebnis von Westberliner und Ostberliner Strukturen, sondern historisch bedingt. Berlin ist schon immer eine weitaus ärmere Stadt als etwa Hamburg gewesen. Wenn man wirklich Eigentum als Programm formuliert, dann muß man den Bestand privatisieren. Das heißt aber nicht, an Aktionäre oder sonstige Gesellschaften zu verkaufen, sondern an die jetzigen Mieter. Das geht nur, wenn man keine Marktpreise verlangt. Darüber hinaus muß man sagen, daß es richtig ist, mehr Selbstverantwortung zu übernehmen.

Was macht Sie so sicher, daß die Berliner das wollen oder auch zahlen können?

Das ist eine Frage des Preises. Wenn Sie eine 70 Quadratmeter große Sozialwohnung nicht für 2.500 Mark, sondern nur 1.500 Mark pro Quadratmeter anbieten können, dann gibt es durchaus eine ganze Reihe von Leuten, die das machen können, und ich denke auch wollen.

Die Praxis zeigt aber, daß es für die Wohnungsbaugesellschaften jetzt schon kaum möglich ist, 15 Prozent ihres Bestandes zu privatisieren.

Die Chefs von Wohnungsbaugesellschaften wollen Chefs von großen Wohnungsbaugesellschaften bleiben. Die haben gar keine Motivation, ihren Bestand zu privatisieren. Darum muß man das politisch steuern. Die Wohnungsbaugesellschaften gehören immer noch dem Land Berlin und nicht den Geschäftsführern.

Welche Bedeutung kommt dem Masterplan bezüglich des innerstädtischen Wohnungbaus zu?

Eine Idee des Planwerks ist es, eigentumsfähige Formen und Parzellierungen mit einem hohen Wohnanteil zu schaffen. Es ist falsch, viele Stadtbewohner ins Umland ziehen zu lassen und sich damit irrsinnige Verkehrswege samt einem wahnwitzigen Energieverbrauch einzuhandeln. Von dieser Vorstellung muß man sich verabschieden.

Das Planwerk bedeutet aber auch, daß der Wohnanteil für Ein- oder Zweipersonenhaushalte gesteigert wird, nicht für Familien – genau diese sind es aber, die ins Umland fliehen. Wer soll also in der Innenstadt wohnen, wer baut, wer finanziert das?

Zunächst ist es so, daß 46 Prozent der Berliner Haushalte von Singles bewohnt werden. Ich glaube, daß man in den Innenstadtbereichen ein Angebot für alle machen kann: für die Singles, für die Zweipersonenhauhalte ohne Kinder – die übrigens weitere 30 Prozent der Haushalte ausmachen – und für Familien mit Kindern, die in der Innenstadt wohnen wollen und können. Die entscheidende Frage ist ja die: Wie können wir sicherstellen, daß in der Innenstadt das Wohnen wegen der Bodenpolitik nicht zu einem völlig unbezahlbaren Gut wird?

Bisher konnten Sie das nicht sicherstellen, wie etwa in der Friedrichstadt. Wo nehmen Sie den Optimismus her, dies künftig zu schaffen?

Wir streben 60 Prozent Wohnen in den Bereichen an, die wir durch das Planwerk neu erschließen wollen. Das ist der Grund und Boden, der der öffentlichen Hand gehört...

Ein Grund und Boden, der, kaum daß er als Bauland ausgewiesen ist, bereits restitutionsbehaftet sein wird ...

Ja, aber da gibt es Lösungen wie bei jedem anderen Entwicklungsgebiet.

Es ist aber nicht der reine Verkaufserlös aus diesen öffentlichen Flächen, der da in die Landeskasse kommt. Dieser Eindruck wird ja immer suggeriert, daß das Eigentum des Landes Berlin ist, das man mobilisieren kann.

Die Wertsteigerung von Straßenland zu Bauland kommt dem Land Berlin zugute. Aber mich interessiert überhaupt nicht der Aspekt, daß etwas in die Landeskasse kommt. Das halte ich für kurzfristiges, fiskalpolitisches Denken. Erstens frage ich mich, wie die Innenstadt wieder eine eigene Identität erhält und wie ich etwas zur Reurbanisierung und Revitalisierung der Innenstadt beitragen kann. Eine revitalisierte Innenstadt kann die Konkurrenz zu den Gewerbestandorten und Einzelhandelsflächen auf der grünen Wiese viel besser ertragen als eine innere Brache. Zweitens ist es für mich wichtig, möglichst vielen eine Möglichkeit zu geben, in der Stadt zu bleiben. Da spielt die Überlegung eine Rolle, durch ein attraktives Wohnangebot in der Innenstadt längerfristig die Menschen davon abzuhalten, nach Brandenburg zu ziehen. Ich finde auch, daß man Bodenpolitik neu diskutieren muß. Gerade beim Planwerk Innenstadt hätte man eine große Chance, den Bodenpreis politisch zu steuern.

Wenn im Zusammenhang mit dem Masterplan vom „Stadtbürger“ die Rede ist, kann auch der Eindruck entstehen, daß nicht die Bürger gemeint sind, die in der Stadt bereits wohnen, sondern die, die man sich wünscht. Für wen machen Sie eigentlich Politik? Für die Berliner oder die, die es einmal werden wollen?

Nachhaltige Stadtentwicklung heißt doch, auf die soziale Mischung zu achten. Und die soziale Mischung muß meines Erachtens durch Neubau hergestellt werden, nicht durch Umwandlung oder Verdrängung. Der große Vorteil der östlichen Innenstadt ist, daß es sich im wesentlichen um städtische Wohnungsbaugesellschaften handelt, so daß man auch weiterhin einen starken, politisch kontrollierenden Einfluß auf die Belegungsfrage hat. Mich interessiert an der Frage der zusätzlichen Wohnungen eine positive soziale Mischung, die jedoch den Bestand nicht gefährdet.

Was ist denn für Sie ein Stadtbürger?

„Stadtbürger“ ist offensichtlich für Sie so ein Begriff der FDP.

Wir meinen den Begriff des Stadtbürgers, wie ihn Ihr Staatssekretär Hans Stimmann versteht: mit Laptop und Handy, im Gründerzeitambiente, der kein innerstädtisches Grün mehr braucht, weil er ohnehin zweimal im Jahr nach Mallorca fliegt.

Das ist doch völlig irreal. Die soziale Situation in Berlin ist ja ganz anders.

Das hinderte Herrn Stimmann oder Herrn Schlögel auf dem Stadtforum allerdings nicht daran, den stolzen Stadtbürger zum Ideal zu erheben.

Der Stadtbürger ist für mich zunächst einmal schichtenunspezifisch. Der Stadtbürger ist einer, der sich für seine Stadt und für sein Umfeld interessiert. Das ist nicht nur eine Frage der privaten Einkommensverhältnisse. Der Stadtbürger ist der Ausdruck gelungener Emanzipation. Es ist eine Frage der individuellen Einstellung und eine Frage des Engagements für seine Stadt, für seinen Kiez. Stadtbürger sind selbstbewußte Leute.

Verdichtung als politische Lösung, wie sie dem Masterplan zugrunde liegt, setzt voraus, daß man von großen Wachtstumsraten ausgeht, die es in Berlin gar nicht mehr gibt.

Das Planwerk umfaßt ein Entwicklungspotential für die nächsten 20 bis 30 Jahre. Daß man sich jetzt schon dafür verteidigen muß, daß man Stadtentwicklungsplanung längerfristig orientiert und nicht nur bis zum Bundestagsumzug, das wundert mich schon.

Wir haben doch bereits die Kollhoff-Planung am Alexanderplatz als Mahnmal einer überzogenen Wachstumseuphorie.

Ich glaube, daß dieser Kollhoff- Entwurf für den Alexanderplatz nach wie vor eine große Stärke hat, nämlich den Alexanderplatz zu einem unverwechselbaren Kristallisationspunkt in der City-Ost zu machen. Ich habe aber nach wie vor Zweifel, daß sich diese Pläne aufgrund der ökonomischen Situation wirklich realisieren lassen. Deswegen glaube ich, daß man in der weiteren Debatte um das Planwerk Innenstadt auch noch einmal die Diskussion um den Alexanderplatz wird führen müssen.

Müßte man die Diskussion nicht führen, bevor der Bebauungsplan unterzeichnet ist?

Den kann man auch wieder ändern. Eine Diskussion um den Alexanderplatz wird sich nicht vermeiden lassen. Wenn man ein Planwerk Innenstadt entwickelt, das von historischen Strukturen ausgeht, stellt sich doch die Frage, ob man da den Alexanderplatz wirklich ausnehmen kann. Aber wenn man die harte Stadtkante erhalten will, muß man in der Innenstadt verdichten. Das kann heißen, daß es am Ende weniger Grün geben wird. Die Frage ist dann, wie qualitätsvoll dieses Grün ist im Vergleich zu dem, was man draußen bewahrt. Das muß man bewerten, und dann ist eben nicht jede Grünfläche eine Debatte wert. Die Grünfläche neben der taz ist doch nichts anderes als ein Hundeklo.

Im Planwerk werden neunzig Kilometer mehr Straße geplant. Was ist daran nachhaltig?

Wie Sie wissen, werden wir gerade von der CDU dafür kritisiert, Straßen zu verkleinern und Verkehrsflächen umzuwidmen. Daher kann mich Ihre Behauptung nur verwundern. Die Nachhaltigkeit bei diesen „verkleinerten“ Straßen besteht darin, daß ich ein feingliedriges Netz von Zuwegen habe und eine Nutzungsvielfalt, eine Nutzungsmischung, organisieren kann. Ich habe sehr viel mehr Gelegenheit, etwas zu Fuß zu erreichen, es macht mir Spaß, über diese klar abgegrenzten Straßen zu gehen, in denen ich mir nicht völlig hilflos und verloren vorkomme wie in den autobahnähnlichen Schneisen.

Das heißt, ich kann also auch Mobilitätsverhalten durch die baulichen Anlagen verändern. Und viel mehr Fußgängerverkehr in der Innenstadt tut not. Was die Frage mit den neunzig Kilometern neuer Straßen betrifft, so sage ich: Das Planwerk sieht vor, den Durchgangsverkehr zwischen Ost und West abzuschaffen. Grundlage unserer Planung ist das Ziel „Modal Split“, das heißt, wir wollen nur einen Ziel- und Quellverkehr, aber keinen Durchgangsverkehr mehr. Man wird aber eine Innenstadt von den Ausmaßen Berlins nicht ohne Verkehr organisieren können.

Was bleibt am Ende vom Masterplan übrig: mehr stadtpolitische Diskussion, mehr Stichwortgeber für Paradigmenwechsel oder Hauptstadtplanung als konkreter Städtebau?

Mit Hauptstadtplanung hat das wenig zu tun, allenfalls damit, wie Berlin den Weg zurück in das Konzert der Weltstädte finden kann. Dafür sind in Berlin nach wie vor erhebliche Veränderungen notwendig. Ich glaube, daß das Planwerk beides leisten kann.

Zum Konzert der Weltstädte gehört auch eine starke Armutsdynamik, gehört Migration. Gibt es da eine Arbeitsteilung zwischen dem Innensenator, der Wagenburgen und besetzte Häuser räumen läßt, weil diese nicht ins Bild einer sauberen Hauptstadt passen, und dem Senator Strieder, der mit dem Masterplan und der Aktion Sauberes Berlin die Innenstadt frei von Schmutz halten will? Steckt dahinter ein Konzept, zu sagen, mit der Armut müssen wir leben, aber nicht in der Innenstadt?

Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Wir rechnen ja bis zum Jahr 2010 mit 400.000 zusätzlichen Einwanderern aus dem Ausland. Berlin braucht das wegen seiner demographischen Entwicklung, um auch nur einigermaßen den Stand von heute zu halten. Es ist also völlig unstrittig, daß Migration für Berlin notwendig ist.

Die Frage der sauberen Stadt hat für mich eine völlig andere Dimension, als unterstellt wird. Es geht nicht darum, daß das Elend nicht mehr in der Innenstadt sichtbar ist. Es geht auch nicht um Graffiti. Berlin wird hoffentlich immer eine bunte Stadt bleiben.

Soll das heißen, daß sich hinter der Aktion Sauberes Berlin in Wirklichkeit eine Aktion Buntes Berlin verbirgt?

Es geht aber auch um Schmierereien. Schauen Sie sich doch einmal an, wie mit Sprühdosen die Substanz des öffentlichen Raums kaputtgemacht wird. Wenn wir nicht zu einem Bewußtseinswandel im Umgang mit öffentlichem Eigentum wie etwa Parkanlagen oder Plätzen kommen, wird es nicht lange dauern, bis das alles so verwahrlost ist, daß die Menschen diese Orte meiden. Berlin ist nicht Singapur und kann nicht Singapur werden. Und zu unserem Konzept Frühjahrsputz gehört auch nicht das Vertreiben von Bettlern und Pennern aus der Innenstadt.

Ich sehe eine völlig andere Entwicklung. Daß zum Beispiel öffentliches Eigentum nichts mehr wert ist, sondern nur noch privates Eigentum zählt. Und öffentliches Eigentum sind eben auch Straßen und Plätze, Grünanlagen und Spielplätze. Dafür will ich wieder ein anderes Bewußtsein schaffen. Außerdem geht die Verwahrlosung des öffentlichen Raums mit einem immer stärker werdenden Konzept von Passagen und Malls einher. Und diese Passagen und Malls sind eben nicht für jedermann zugänglich, sondern sie unterliegen privater Verfügungsgewalt. Sie richten sich an Konsumfähige und an Konsumwillige. Die Idee ist doch, die Straße als den Ort der Begegnung, den Ort der Kommunikation, für alle zu erhalten. Und zwar ohne soziale Segregation.

Wird da nicht der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben?

Wenn Sie durch eine Verwahrlosung des öffentlichen Raums dafür sorgen, daß es eigentlich nur noch Spaß macht, sich in von privaten Schutzleuten bewachten Einkaufsstraßen aufzuhalten, die ständig gefegt und gekehrt werden, während Sie auf den normalen Straßen zwischen Müllhalden sitzen, dann ist das für mich die eigentliche gesellschaftspolitische Dimension.

Der Potsdamer Platz wird, selbst dort, wo er öffentliches Gelände ist, immer in einem sehr ordentlichen Zustand sein, während die anderen Bereiche der Stadt verwahrlosen. Und das kann doch nicht unser Ziel sein.

Interview: Rolf Lautenschläger

und Uwe Rada

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