■ Kommentare Kein Grund, Moskau unnötig zu provozieren
: Stolperstein Baltikum

Die Gegensätze zwischen den USA und Rußland in der Frage der Nato-Osterweiterung bestehen auch nach dem Gipfel von Helsinki fort, aber die Verhandlungen zwischen Boris Jelzin und Bill Clinton waren ein Schritt in die richtige Richtung. Der Konflikt ist nicht gelöst, aber solange beide Parteien einen Dialog führen können, ist eine akute Konfliktsituation unwahrscheinlich. In ihrem Schlußkommuniqué zeigten die Präsidenten ihren Willen zum Kompromiß. Nun ist es Sache von Nato- Generalsekretär Solana und Rußlands Außenminister Primakow, das Ganze in bindende Abkommen umzusetzen.

Die Voraussetzungen für einen Fortschritt in den kommenden Monaten sind relativ gut. Teils weil Rußland sich in einer schwachen Verhandlungsposition befindet, teils weil sich das Land unter Boris Jelzins Führung auf einen Weg gemacht hat, der eindeutig nach Westen zeigt. Daß der 41jährige Anatolij Tschubais und der 37jährige Boris Nemtsow Hauptrollen in der neuen Regierung bekommen haben, bedeutet, daß Jelzin hofft, mit Hilfe eines schnelleren Reformtempos aus der ökonomischen Krise herauszukommen. Und die ökonomische Entwicklung ist eng mit der Einstellung der Russen zur Nato verknüpft.

Die heutigen Führer Rußlands haben akzeptiert, daß Polen, Tschechien und vielleicht auch Ungarn im Sommer eine Mitgliedschaft in der Nato angeboten wird. Mit einem Abkommen, wonach diese Staaten atomwaffenfrei bleiben, mit weiteren Truppenbegrenzungsabkommen und als Gegenleistung mit dem Angebot an Rußland zur Vollmitgliedschaft in der internationalen ökonomischen Familie (G7 und Welthandelsorganisation WTO) könnte dann die Entwicklung in die von allen gewünschte Richtung gehen: wachsende Sicherheit in Europa.

Demgegenüber würde das Konfliktrisiko dramatisch steigen, würde eine Ausweitung Richtung Baltikum oder Ukraine ins Bild kommen. Für ein Rußland, das es nach der Auflösung der Sowjetunion nach wie vor schwer hat, seine „Seele“ zu finden, würde eine Nato-Infrastruktur in der Ukraine eine Provokation bedeuten. Der amerikanische Slogan „the winner takes it all“ ist oft in der Diskussion zu hören; als Sieger des Kalten Krieges könne man bestimmen und müsse sich um Rußland nicht groß kümmern. Dann muß man sich aber auch über die Konsequenzen klar sein: ein Rußland, das sich bei der Präsidentenwahl einen Diktator wählt, der die Tür nach Westen dichtmacht, zum Primat der Militärindustrie zurückkehrt und die Zusammenarbeit mit Ländern wie China, Indien, Iran und Irak stärkt.

Es ist also nicht angebracht, Rußland gegenüber zu nachgiebig zu sein. Es besteht aber andererseits auch keinerlei Anlaß, Moskau unnötig zu provozieren. Jan Blomgren

Der Autor ist Journalist bei der Stockholmer Tageszeitung „Svenska Dagbladet“.