■ Europa: Keine Menschenrechtsresolution gegen China
: Geschäftssinn und Feigheit

Niemand steht gern am Pranger, auch die Weltmacht China will diese Art von Publizität möglichst vermeiden. Daher die massiven Drohungen der chinesischen Regierung gegen das kleine Dänemark, das daran festhält, bei der UNO-Menschenrechtskommission notfalls im Alleingang eine Resolution gegen die massiven und systematischen Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik einzubringen. Ein solcher Schritt, so der Sprecher des chinesischen Außenministeriums in schöner Offenheit, werde am meisten den Dänen selbst schaden – politisch, aber vor allem ökonomisch.

In der EU stehen sich hier zwei Staatengruppen gegenüber: die der Abstinenzler unter Führung Frankreichs und die der Interventionisten, zu denen neben den Skandinaviern auch Holland gehört, das gegenwärtig das Ratspräsidium innehat. Die Bundesrepublik hat sich auf die Seite Frankreichs geschlagen und es für inopportun erklärt, dieses Jahr bei der Frühjahrssitzung der Menschenrechtskommission China per Resolution zu verurteilen. Geschäftssinn und Feigheit verschwistern sich mit Verlogenheit: die „weiche“ Politik des Dialogs werde den Menschenrechten peu à peu Geltung verschaffen. Damit können die chinesischen Realsozialisten bequem leben.

Es geht hier nicht um die Frage, ob eine solche Resolution die Mehrheit erreicht hätte. Schließlich sitzen dort keine Humanisten, sondern weisungsgebundene Regierungsvertreter, die bisher erfolgreich eine Verurteilung Chinas abgeblockt haben. Es geht darum, daß die Unwilligkeit der EU-Staaten, gemeinsame außenpolitische Schritte in Sachen Menschenrechte zu unternehmen, jetzt ein Ausmaß erreicht hat, das unterdrückerische Regime förmlich dazu einlädt, weiter zu quälen und zu morden. Verlieren doch künftige Länderresolutionen der Kommission jede Glaubwürdigkeit, weil man vor der Verurteilung des Giganten China zurückschreckte.

Die chinesische Regierung hat ihr letztes Jahr in Genf gegebenes Versprechen, die internationalen Menschenrechtspakte von 1966 zu ratifizieren, nicht erfüllt. Angesichts dieses Versprechens hatten die EU-Vertreter damals davon abgesehen, eine Resolution einzubringen. Sie wäre jetzt zwingend geboten gewesen. Die EU hat das Gesicht verloren, und so etwas ist, allen „kontextualistischen“ Theorien zum Trotz, nicht nur im Fernen Osten schädlich. Christian Semler