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Die Menschen kriegen immer mehr Rechte

■ Europaparlament verabschiedet grün angehauchten Menschenrechtsbericht

Straßburg (taz) – Das Europäische Parlament hat zum erstenmal in seiner Geschichte einen Bericht über die Menschenrechtssituation in der EU verabschiedet, der Armut und Umweltzerstörung zur Verletzung der Menschenrechte erklärt. Nach teilweise sehr heftiger Auseinandersetzung wurde der von der Grünen Claudia Roth ausgearbeitete Bericht mit hauchdünner Mehrheit angenommen. Vor allem die Konservativen, aber auch viele britische Labour-Abgeordnete stimmten dagegen, weil sie den Menschenrechtsbegriff auf die klassischen bürgerlichen Freiheiten beschränkt sehen wollen.

Hartmut Nassauer von der CDU forderte, daß nur Menschenrechtsverletzungen aufgeführt werden dürften, die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einklagbar sind. Der Mehrheit im Europaparlament war das zuwenig. „Menschenrechte dürfen nicht halbiert werden“, sagte Claudia Roth.

Der Menschenrechtsbericht kritisiert deshalb, daß in einigen Gemeinden in Frankreich und Deutschland das Betteln verboten sei. Auch die Asyl- und Flüchtlingspolitik in den meisten EU- Ländern, Deutschland eingeschlossen, wird als menschenrechtsunwürdig eingestuft. Die Regelung, daß Flüchtlinge ohne Prüfung ihrer Asylersuchen an der Grenze abgewiesen werden können, verstoße ebenso wie die Zustände in den Abschiebegefängnissen gegen die Menschenrechte. Die EU-Staaten, so das Europaparlament, müßten zumindest die Rechte gewährleisten, die in der Genfer Flüchtlingskonvention vorgeschrieben sind. Das sei derzeit nicht der Fall.

Die Abstimmung fiel vor allem deshalb so knapp aus, weil sich viele Europaabgeordnete daran stießen, daß auch ihren eigenen Ländern Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. So wird beispielsweise Großbritannien für die Verlängerung der Anti-Terrorismus-Gesetze kritisiert; Labour-Abgeordnete, die das Gesetz früher selbst heftig angegriffen haben, wollten die Kritik jetzt nicht mehr unterstützen – zu Hause ist schließlich Wahlkampf.

Dänische Parlamentarier hatten Probleme damit, daß ihrem Land vorgehalten wird, die internationalen Übereinkommen über die Ächtung der Todesstrafe und gegen Folter noch immer nicht in nationales Recht aufgenommen zu haben. Außerdem werden Dänemark und Schweden aufgefordert, den Besitz von Kinderpornographie endlich strafbar zu machen.

Den Griechen war die Verurteilung des griechischen Verbots der Wehrdienstverweigerung zu scharf. Und die österreichischen Abgeordneten waren regelrecht erschrocken, daß ihr Land vom Europaparlament aufgefordert wird, die diskriminierenden Gesetze gegen Homosexualität abzuschaffen.

Der gestern verabschiedete Menschenrechtsbericht, der sich auf das Jahr 1995 bezieht, war erst der dritte, den das Europaparlament angenommen hat. Denn auch in der Vergangenheit uferten Auseinandersetzungen über die Definition der Menschenrechte aus. Meistens kam es gar nicht zur Abstimmung, oder die Berichte wurden abgelehnt. Der jetzt beschlossene Bericht fordert die EU- Regierungen nicht nur auf, die festgestellten Verstöße gegen die Menschenrechte zu beenden. Er legt zum erstenmal auch einen Katalog von grundsätzlichen Menschenrechten fest. Alois Berger

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