: Ein SS-General als Namenspatron
■ Die Reinickendorfer Hoeferstraße wurde 1941 nach dem General und SS-Oberführer Karl Hoefer benannt. Seit die Vergangenheit Hoefers bekannt ist, sucht der Bezirk einen neuen Straßennamen
Der Bezirk Reinickendorf schlägt sich mit einer peinlichen Altlast der Geschichte herum. Seit über 55 Jahren ehrt der Bezirk gleich neben dem Kurt-Schumacher-Platz, der an den von den Nazis verfolgten SPD-Politiker erinnert, mit der Hoeferstraße einen SS-Oberführer – und niemand kümmerte sich bislang darum. Seit Einzelheiten über den Namenspatron bekannt sind, soll die Hoeferstraße umbenannt werden.
Im „Wegweiser zu Berlins Straßennamen“ galt Karl Hoefer bislang als preußischer Heeresgeneral im Ersten Weltkrieg, der nach Kriegsende den „Oberschlesischen Selbstschutz“ befehligte. „In dieser Eigenschaft schlug er 1921 den polnischen Aufstand nieder und eroberte Teile Oberschlesiens“ heißt es in dem Buch. Doch der „einarmige General“, wie Hoefer genannt wurde, gelangte auch unter den Nazis zu hohen Ehren. In der „Dienstalterliste“ der SS aus dem Jahr 1938 ist Hoefer mit dem vierthöchsten Rang der SS, dem eines Oberführers, ausgewiesen. Laut diesem Verzeichnis wurde der damals 74jährige Hoefer am 20. April 1936, dem Geburtstag Hitlers, mit der Nummer 276 338 in die SS aufgenommen – und zwar „beim Stab des Reichsführers SS“ Heinrich Himmler: im Zentrum des Terrors.
Nach Informationen der taz belegt der interne Schriftverkehr zwischen Hoefer und der Personalkanzlei der SS in München, der im Bundesarchiv Berlin gesammelt ist, diese Behauptung. Unter der „Tagebuch-Nr. AR/401 geheim“ schreibt der Chefadjutant des SS- Reichsführers am 16. April 1936: „Der Reichsführer SS hat angeordnet, dass Generalleutnant a.D. Carl Hoefer, Coburg, mit Wirkung vom 20. 4. 1936 unter Beförderung zum SS-Oberführer in die SS aufgenommen werden soll.“ In einem Schreiben vom 25. 4. 1936 bestätigte Hoefer „mit verbindlichem Danke“, daß ihm „die hohe Ehre erwiesen“ worden sei, in die SS aufgenommen zu werden: „Ich habe mich über diese Auszeichnung sehr gefreut.“
Im Mai 1939 starb Karl Hoefer. Der Berliner Lokal-Anzeiger ehrte ihn in einem Nachruf als „einen der bewährtesten Truppenführer“ des Ersten Weltkriegs. Sein Name bleibe wegen der Kämpfe um Oberschlesien im Jahr 1921 „mit dem deutschen Widerstand in der Zeit der tiefsten Erniedrigung verbunden“. Im Mai 1941 wurde die Reinickendorfer Straße zu Ehren des SS-Mannes in „Hoeferstraße“ umbenannt. Nach dem Krieg geriet Hoefers Ehrung durch die Nazis in Vergessenheit. Sie soll nun rückgängig gemacht werden. Darin sind sich die Fraktionen in der Reinickendorfer Bezirksverordnetenversammlung einig. Im Kulturausschuß werden seitdem verschiedene Namen diskutiert: Ungewiß ist, ob die Straße in Zukunft nach der jüdischen Ärztin Berta Jacoby, dem ehemaligen SPD-Bezirksbürgermeister Dünnebacke, dem Pfarrer Dannenberg oder Paul von Hase benannt wird, der als Verschwörer des 20. Juli 1944 hingerichtet wurde. Bernhard Pötter
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