Mullahs beten für schönes Wetter

■ Nach dem „Mykonos“-Urteil: Präsident Rafsandschani versöhnlich, Radikale drohen mit Selbstmordanschlägen

Berlin/Teheran/Moskau (taz/AP/AFP) – Glaubt man Irans Präsident, dann wird alles wieder gut. „Es ist wie nach einem Donnerschlag. Danach verziehen sich die Wolken, und der Himmel wird wieder heiter“, erklärte Ali Akbar Haschemi Rafsandschani gestern beim Freitagsgebet zum Thema iranisch-deutsches Verhältnis nach dem Urteil im „Mykonos“-Prozeß. Aber auch weniger versöhnlich gesonnenen Landsleuten zollte er Tribut: Das Urteil des Berliner Kammergerichts sei ein „großer Skandal“. Deutschland müsse „dafür leiden, die Herzen von Millionen Iranern gebrochen zu haben“, schimpfte er, streckte jedoch sogleich den Finger zur Versöhnung aus: Die Bundesrepuplik werde „nicht alles im Iran verlieren“.

Auch im Bonner Außenamt war man gestern bemüht, den Schaden zu begrenzen. „Es ist nicht in unserem Interesse, in der jetzigen Situation Öl ins Feuer zu gießen“, erklärte Klaus Kinkels Sprecher Martin Erdmann. Auch der nach Bonn geholte deutsche Botschafter Horst Bächmann sei nur „auf absehbare Zeit abberufen“, sein Standort weiterhin Teheran.

Bei Rafsandschanis Freitagsgebet hatte sich jedoch der in der Berliner Urteilsbegründung namentlich genannte Geheimdienstchef Ali Fallahian demonstrativ in die erste Reihe gesetzt. Nach dem Gebet versammelten sich dann 2.000 Iraner vor der deutschen Botschaft und skandierten: „Nieder mit dem faschistischen, zionistischen Deutschland“, und warfen Steine gegen die hohen Botschaftsmauern. Zuvor hatten sich iranische Polizisten und Militärs schützend vor der Gesandtschaft aufgebaut. Der Chef der Irans Religiösem Führer Ali Chamenei nahestehenden Ansar-e Hisbollah (Freunde der Partei Gottes) drohte gar: „Einer von uns wird sich eine Bombe umbinden und die Botschaft in die Luft jagen.“

Zuvor hatten alle EU-Staaten außer Griechenland ihre Botschafter im Iran bis auf weiteres nach Hause beordert. Ebenfalls abberufen wurde Australiens Mann in Teheran. Der auch in die Heimat beorderte iranische Botschafter in Bonn, Hossein Moussavian, flog gestern ab. Aus dem Auswärtigen Amt war unterdessen zu erfahren, drei der vier von der Bundesregierung ausgewiesenen iranischen Diplomaten hätten das Land schon vor Wochen verlassen. Über Namen und Funktionen wollte das AA keine Angaben machen.

Das mit Abstand iranfreundlichste Signal kam gestern aus Moskau. „Wir haben eine enge und nützliche Zusammenarbeit, die weiter ausgebaut wird“, sagte Präsident Boris Jelzin. Sein Gegenüber war der iranische Parlamentspräsident und mutmaßliche Staatspräsident in spe Ali Akbar Nateq Nuri. Bei dem Staatsbesuch ging es vor allem um Wirtschaftskontakte.

In Deutschland grübelten unterdessen die Bundesanwälte darüber nach, ob sie nun Anklage gegen Rafsandschani und Chamenei erheben sollen. Derzeit werde geprüft, ob nach der Urteilsbegründung im „Mykonos“-Prozeß ein „Anfangsverdacht“ vorliege, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Präsidenten und Religiösen Führer der Islamischen Republik rechtfertige, hieß es aus Karlsruhe.

Während sich die exiliranische Opposition unisono über den Ausgang des „Mykonos“-Verfahrens freute, löste das Urteil bei einer Person auch Sorgen aus: Farideh Sebardschad, die Frau des noch immer vom iranischen Geheimdienst festgehaltenen Faradsch Sarkuhi, fürchtet, dessen Peiniger könnten jetzt noch härter gegen den Schriftsteller vorgehen. Seit einem Telefongespräch am 11. März habe sie nichts mehr von ihrem Mann gehört, sagte Sebardschad gestern auf einer Pressekonferenz von Reporter ohne Grenzen in Berlin. Allerdings könnte die iranische Führung ihn jetzt nicht mehr als „Verhandlungsmasse“ im Fall „Mykonos“ benutzen.

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