Mit dem ISP auf Du und Du
: Was im Jahre 2020 ist

■ Gewagte Prognose über langfristige Effekte der Investitionen von heute

Kaum ein wirtschaftspolitischer Vorgang, an dem Gutachter nicht verdienen. Nur bei dem großen Jahrhundertprojekt, der Sanierung Bremens, da ist es auffallend still auf Gutachterebene. Zur Frage, wieviel Wirtschaftskraft wirklich aus den Großprojekten des Investitions-Sonder-Programms (ISP) erwächst, darüber wird kein Sachverstand eingekauft.

Grundsätzlich beackert Prof. Heinz Schäfer aus Düsseldorf dieses Feld. „Evaluation des ISP“ist sein Auftrag. Mit Cornelia Wiedemeyer sitzt seine Mitarbeiterin direkt in der SPD-Fraktion. Schäfer hat jetzt eine erste Studie vorgelegt, die sein Honorar rechtfertigen soll. Die Frage, wieviel Wirtschaftskraft der Hemelinger Tunnel bringt (Kosten ca. 300 Millionen aus dem ISP), wieviel der Ausbau der wissenschaftlichen Infrastruktur (1 Mrd.), wieviel die Messehallen (150 Mio) oder Fischereihafenschleuse oder Ocean-Park in Bremerhaven (jeweils 250 Mio) – das alles fragt sich Prof. Schäfer nicht. Dementsprechend fehlt die „Evaluation“der einzelnen ISP-Projekte in dem „Monatsbericht 2'97“des wissenschaftlichen Stabes des Wirtschaftssenators im „Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung“(BAW).

Stattdessen machen sich Schäfer und der BAW-Bericht an eine gewagte Sache: Prognose der „regionalökonomischen Effekte des ISP“bis zum Jahre 2020. Obwohl noch nicht einmal klar ist, ob der Euro kommt, was das für Auswirkungen hätte, und auch niemand eine Prognose über Konjunktur und Produktivität im Jahre 2010 wagt, hindert das die Fachleute des Wirtschaftssenators nicht, die durch das ISP geschaffenen Arbeitsplätze aufzulisten: Im Jahre 1995 waren das 112, im Jahre 1999 z.B. werden es 3.255 sein, im Jahre 2005 dann 36.763 und 2020 schließlich genau 52.392.

Bei Prognosen dieser Art, das wissen die Autoren des BAW natürlich sehr genau, kann man nur mit willkürlich gesetzten Faktoren rechnen. Einer davon ist das Verhältnis von öffentlichen Investitionen und privat dadurch nachgezogenen Investitionen. Im Güterverkehrszentrum (GVZ) war das 1:1, bei Daimler 1:2, bei der wissenschaftlichen Infrastruktur wollen die Autoren darüber nur langfristig spekulieren. Für ihre Rechnung brauchen sie aber eine Zahl, entschieden sich für 1,5. Schon 1,7 hätte das Ergebnis deutlich verändert.

Oder die Nachfrageeffekte. Wieviel der Bauaufträge führen in Bremen zu Beschäftigung? Wieviel Nachfrage entsteht durch die Investitionen? Um wieviel wird die Produktivität in Bremen steigen, wieviele Investitionen werden also Rationalisierungs-Investitionen sein? Alles das weiß man nicht so genau, trotzdem muß eine „Prognose“mit irgendwelchen Zahlen rechnen. Für die Nachfrage-Wirkungen wendet Schäfer einen „bremenspezifischen Keynesianischen Einkommensmultiplikator“von 1,3 an. Der Wirtschaftssenator übernimmt die Zahl.

Der „ISP-Evaluation“liegen mehr derartig willkürlich gesetzte Faktoren zugrunde als eine ernstzunehmende Prognose verträgt. Die Berechnungen von Schäfer mögen wissenschaftlich interessante Modelle sein, über Bremen 2020 läßt sich ohne sie genauso spekulieren.

Bleibt die Frage: Warum speisen die ISP-Spezialisten die Öffentlichkeit mit derartigen Rechenspielchen ab und vermeiden gleichzeitig, die ISP-Projekte von externen Sachverständigen nach Kosten und möglichem Nutzen durchleuchten zu lassen? Klaus Wolschner