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Der Referent mag die Nachfragen nicht

Ansgar Graw will kein Rechtsradikaler sein. Seine Kontakte zu einschlägigen rechten Kreisen hält der Mann von der SFB-Spitze nur für einen Ausdruck seiner Offenheit und Liberalität  ■ Von Lutz Meier

Ansgar Graw kann auch sehr genau sein. „Ja Herr D.“, sagt er beflissen, wenn er das Telefon abnimmt, „mache ich, Herr D.“, bevor er auflegt. Dann nimmt Ansgar Graw wieder seine Lieblingshaltung ein, hinter dem Schreibtisch, der wie ein Bollwerk vor ihm steht. Er verschränkt die Arme vor sich auf dem Tisch, die Hände halten sich wechselseitig an den Ellenbogen fest. Die Augen Ansgar Graws kreisen im Raum, wenn er mit dem Besucher spricht. Soll er überhaupt reden? Ist es nicht ein „Gesinnungs-TÜV“, fragt er, wenn der Besucher nun seine politische Haltung, über die soviel geredet wird, von ihm selbst erfahren will? Das also ist Ansgar Graw. 36 Jahre alt ist er und persönlicher Referent des Intendanten des SFB. Das also ist der Mann, der in seinen Aufsätzen so gern von Entkrampfung redet, von Selbstbewußtsein.

Graw, um den es jüngst Aufregung gab, als sein Name in einem Staatsschutzprotokoll von Treffen mit Rechtsradikalen auftauchte, ist ein eher stiller Mensch mit einer Stimme, die immer ein kleines bißchen zu hoch klingt. Kein Lachen entfährt dieser Stimme in den zwei Stunden. Ein Mann sitzt da, dem die Ordnung, die er seiner Welt geben will, nie vollständig zu gelingen scheint: Da knittert unter dem weißen Kragen das graugrüne Hemd, da neigen sich die Zeitungsstapel im Büro, auch wenn sie am Tischrand ausgerichtet sind.

Ein Mann in Sorge: „Daß ich mich nun quasi offenbaren soll“, sagt er, nur „anhand einer Panne“ – nämlich der der Polizei –, das, sagt Ansgar Graw, das bedrücke ihn sehr. Eines steht nämlich für Graw fest: Bei dem Treffen der Rechtsradikalen war er nicht. Darüber, wo er war, als am 9. Juni 1994 der Staatsschutz die „Berliner Kulturgemeinschaft Preußen“ in „Falkos Schwabenstuben“ in der Hauptstraße observierte und Graw dabei als Teilnehmer notierte, gibt es verschiedene Darstellungen. Graw hat ein Alibi seines damaligen Chefs in der SFB- Pressestelle vorgelegt. Aber: Wäre er dagewesen, dürfte es eigentlich auch nicht schlimm sein. „Ich als Journalist“, sagt er, „hätte sehr leicht sagen können, warum ich dagewesen wäre (nämlich zur Recherche).“ „Ich hätte doch meine berufliche Existenz gefährdet, hätte ich eine falsche eidesstattliche Erklärung gemacht.“ Und die berufliche Existenz bedeutet ihm viel. Er beginnt Anfang der achtziger Jahre als Volontär beim Ostpreußenblatt. Die Karriere führt ihn in einen Studentenverein, dem der Hamburger Senat die Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten bescheinigt, führt ihn dann als Autor zu Blättern vom rechten Rand wie Mut oder Criticon. In der ultrarechten Zeitung Zeitenwende, herausgegeben vom Nationaleuropäischen Jugendwerk, erscheint ebenfalls ein Beitrag von Graw. Graw wehrt ab: Er habe schließlich gleichzeitig auch im linksliberalen evangelischen Sonntagsblatt publiziert. Graw landet schließlich bei Super, dem Boulevardblatt, das in den Jahren 1991 und 1992 derart tief aus der Gosse rapportierte, daß es dafür kein Publikum fand. Eine kuriose Vorstellung: Der Mann, der Besucher mit unsicherer Höflichkeit empfängt und in seinen Aufsätzen soviel von Sittlichkeit spricht, in der Höhle des Krawalljournalismus. Aber auch diese Einschätzung würde Ansgar Graw zurückweisen. Es habe da schließlich zwei Richtungen gegeben, damals. Über die Junge Freiheit, die Rechtsaußen-Wochenzeitung, die der NRW-Verfassungsschutz beobachtet, sagt er ähnliches: Für die hat er nämlich mal ein Grußwort geschrieben. Autor für die rechte Zeitung will er nicht genannt werden, auch das hat er gerichtlich durchsetzen lassen – ein Beitrag, der dort unter seinem Namen erschien, sei „ein Raubdruck“ gewesen. 1994 taucht Graw mit einem Aufsatz im Sammelband „Die selbstbewußte Nation“ auf, den der Verlag als „Manifest“ der Neuen Rechten anpreist. Titel des Textes: „Dekadenz und Kampf“. Da ist Graw schon beim SFB. Zunächst versucht er dort glücklos, journalistisch Fuß zu fassen, so ist zu hören, doch dann führt ihn sein Aufstieg über die Pressestelle an die Seite von Intendant Günther von Lojewski. Der Sender duldete bisher, daß Graw bei einschlägigen Veranstaltungen, wie etwa Seminaren des rechten „Studienzentrums Weikersheim“ im Namen des SFB auftrat.

Graw fand wohl auch persönlichen Anschluß in den rechten Kreisen. Ende 1995 stellt ihn ein Gesellschaftsbericht der Jungen Freiheit als Trauzeugen des ideologischen Ziehvaters der Neuen Rechten, Rainer Zitelmann, vor.

Wenn man Ansgar Graw fragt, ober er sich dort, am rechten Rand, politisch falsch verortet fühlt, richtet sein Körper sich auf. „Ja“, sagt er langgezogen, „aus tiefster Überzeugung.“ Er ist, beschreibt er, „in vielen Inhalten konservativ“. Aber: „In dem, was ich als Gesprächs- und Debattenkultur vertrete, bin ich absolut liberal.“ Deshalb redet er hier mit der taz, dort aber auch regelmäßig mit den Mitstreitern beim rechten Dienstagsgespräch. „Ich bin immer vollkommen offen.“ Eine linke Diktatur, erläutert er, sei ihm genauso unangenehm wie eine rechte. Wenngleich ihm erstere schon bei jeder kritischen Frage zu dräuen scheint: „Daß man sich in diesem Land für konservative Positionen verstecken muß“, das fürchtet er. „Gesinnungsschafteleimäßig“ findet er das. Und dann bricht es aus Ansgar Graw heraus: „Das macht mich wirklich krank, daß hier nicht mehr diskutiert werden darf.“

Ansgar Graw, der die Öffentlichkeit gesucht hat, scheut es, sich öffentlich festzulegen. Wo er sie denn ziehen würde, die Grenze zwischen den Konservativen und den Rechtsradikalen, mit denen er nichts zu tun haben will? Fragt man Graw zum Beispiel nach der Wehrmachtsausstellung, sagt er, er wolle ja nicht urteilen, weil er sie nicht gesehen habe. Auch sei der Widerstand gegen die Ausstellung „möglicherweise überzogen“. Andererseits: „Ich würde nicht sagen, es ist gut, daß man eine solche Ausstellung macht.“ Und: „Die Anerkennung der Legitimität des Verfassungsstaats“ sei die Grenze, sagt er. Aber wenn man dann liest, was er über die Tragfähigkeit der Grundrechte der Verfassung geschrieben hat, die er leer genannt hat, etwas „Unverbindliches, persönlich nicht Erfahrbares“, dann ist es da wieder, jenes einerseits und andererseits. Ansgar Graw mag die Nachfragen nicht, und am Ende scheint er unsicherer als zuvor, warum er sich überhaupt auf das Gespräch eingelassen hat.

Die Sorge von Kritikern wie Ignatz Bubis, wer die Grenze nach rechts derart vage ziehe, könnte den Boden bereiten für rechtsradikale Gewalt, versteht Ansgar Graw nicht. Die Gewalttäter, sagt er, die seien doch gar nicht politisch. Dabei braucht Ansgar Graw nur zu zitieren, wenn man begründen will, warum man bei einem wie ihm ganz genau nachfragt: „Es geht um wehrhafte Demokratie“, hat er geschrieben. Aber das hat er sicher ganz anders gemeint.

Siehe Bericht Seite 5

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