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Handelskrieg um Chlor-Broiler

Der Agrarstreit zwischen EU und USA wird hochgezogen an haarsträubenden Zuständen in manchen Schlachthöfen für Grillhähnchen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die Europäische Union wird es schwer haben, sich die amerikanischen Schmuddelhähnchen vom Teller zu halten. Denn die USA drohen mit Gegenmaßnahmen, wenn die EU das Anfang April verhängte Importverbot für US- Geflügel nicht bis Dienstag aufhebt. Washington will die Einfuhren von EU-Fleisch stoppen, und das würde für die Europäer teuer werden. Sollte der Streit sogar bis zu einer Klage vor der Welthandelsorganisation WTO eskalieren, haben die Europäer ohnehin schlechte Karten.

Zum Hintergrund der unappetitlichen Geschichte: Lebensmittelinspekteure der EU haben in den USA festgestellt, daß es die sonst bei Nahrungsmitteln so pingeligen Amerikaner mit der Hygiene in Schlachthöfen nicht so genau nehmen. In 42 Schlachtereien werden tote Hähnchen beispielsweise in einer Brühe abgekühlt, die tagelang nicht ausgewechselt wird und deshalb ziemlich stark nach Abwasser stinkt.

Um die gesundheitsschädlichen Keime abzutöten, die bei derartiger Behandlung unweigerlich entstehen, werden die aufgeweichten Tiere vor dem Vertrieb 24 Stunden in Chlorwasser „dekontaminiert“, wie es heißt. Das riecht zwar nicht gut, ist aber billig, und am kroß gebratenen Chicken-Wing schmeckt man das nicht mehr durch.

Mit den Hygienerichtlinien der EU ist das ganze Verfahren trotzdem nicht zu vereinbaren. „Das sind zwei völlig unterschiedliche Ansätze“, klagt die für Verbraucherschutz zuständige EU- Kommissarin Emma Bonino. In der EU werde der gesamte Herstellungsprozeß von Lebensmitteln kontrolliert, damit keine Krankheitserreger entstehen: „In den USA wird nur geprüft, ob das Endergebnis die Gesundheit gefährdet.“

Das war in den USA nicht immer so. Für Hähnchen, die nach Europa exportiert wurden, gab es zudem eine Sonderregelung. Nur zwölf Schlachthöfe hatten die Exporterlaubnis, und diese zwölf wurden auch von EU-Inspektoren kontrolliert. Andere US-Hähnchen ließ die EU nicht ins Land. Doch seit dem letzen Gatt-Abkommen zur Liberalisierung des Welthandels vor zwei Jahren, das jetzt schrittweise in Kraft tritt, sind Importbeschränkungen für Lebensmittel nur noch erlaubt, wenn eine eindeutige gesundheitliche Gefahr besteht. Unappetitlich alleine reicht nicht für ein Verbot, und gesundheitsschädlich sind die Hähnchen nicht, schließlich essen die US-Bürger das Zeug auch selbst.

Die EU-Kommission versucht nun, die US-Regierung zu ein paar Zugeständnissen zu bewegen. Wenigstens die Schlachthöfe, die für den Export in die EU schlachten, sollten auf ein paar Mindeststandards verpflichtet werden, damit Krankheitskeime gar nicht erst entstehen können. Dann müssen sie auch nicht abgetötet werden. Für eine Übergangszeit schlägt der österreichische EU-Agrarkommissar Franz Fischler vor, Chlor durch eine weniger penetrante salzähnliche Lauge zu ersetzen.

Das schüchterne Auftreten der EU-Kommission hat einen einfachen Grund: Ein Handelskrieg würde die EU teuer zu stehen kommen, die USA jedoch nicht. Die US-Schmuddelhähnchen machen ein Handelsvolumen von gerade einmal 45 Millionen Dollar aus. Wenn die US-Regierung dagegen ihre Drohung wahr macht, die Fleischeinfuhren aus der EU zu stoppen, verlieren EU-Schlachter einen Markt von 300 Millionen Dollar.

Um Schwierigkeiten mit der WTO vorzubeugen, tarnt Washington die Retourkutsche als gesundheitspolitische Maßnahme: Die EU-Schlachthäuser entsprächen nicht dem US-Standard. Das ist zwar nach Expertenmeinung falsch; die EU-Normen seien nicht nur bei Hähnchen wesentlich schärfer als in den Staaten. Doch das will Washington nicht gelten lassen und verlangt eine Überprüfung. Bis dahin sollen die EU-Fleischimporte gestoppt werden. Die Überprüfung kann Monate dauern, US-Inspektoren lassen sich da erfahrungsgemäß viel Zeit.

Der Hähnchenkrieg ist nur eine weitere Etappe im Streit um bedenkliche Lebensmittel aus den USA. Die US-Regierung strengt bereits eine Klage vor der Welthandelsorganisation WTO an, weil die EU hormonbehandeltes Fleisch nicht auf den Markt läßt. Die Chancen für die USA sind nicht schlecht, weil sich die WTO in erster Linie um den Freihandel sorgt. Jetzt rächt sich, daß die EU bei den Gatt-Verhandlungen auf die Definition von hygienischen Mindeststandards verzichtet hat. Bei anderen Produkten der Agrarbiotechnik würde auch das nichts nutzen: Ob Tomaten, Mais oder Soja genverändert sind, hat mit Hygiene nichts zu tun.

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