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Urbane Köter am Zahn der Zeit

■ Auf Kampnagel startet heute das Theater- und Tanznachwuchsfestival „Junge Hunde“

Bis zum 10. Mai stellen junge Künstler aus Hamburg, England, Dänemark und Italien 14 brandneue Tanz- und Theaterprojekte vor. Sabine Gehm, Kampnagel-Dramaturgin, über Tendenzen der aktuellen jungen Ästhetik.

taz: Bei jungen Hunden denkt man an große Augen und feuchte Schnauzen, die glücklich Hände abschlabbern. Auf Eurem Plakat für das gleichnamige Festival knurrt hingegen ein zähnefletschender Köter. Wie ist er denn nun, der Theaternachwuchs: auf Opposition aus oder mit der Welt zufrieden?

Sabine Gehm: Diese Frage wurde schon letztes Jahr gestellt: In wieweit sind die Jungen Hunde revolutionär, protestieren gegen alles und jeden? Ich glaube, daß sich die Frage so für die Künsler nicht stellt. Sie suchen vielmehr nach neuen Formen, unkonventionellen Wegen, sich mit bestimmten Inhalten auseinanderzusetzen. Dabei geht natürlich jeder Künstler mit unterschiedlich formaler und inhaltlicher Radikalität mit seinem Stoff um. Allerdings scheuen sie sich auch nicht, bereits vorandene Mittel zu benutzen oder sich aktueller Formen urbaner Subkultur zu bedienen, wie beispielsweise Jonzi D mit seinem HipHop-Theater. Da werden natürlich gesellschaftlich relevante Themen wie Rassismus oder Obdachlosigkeit behandelt. Aber es gibt nicht mehr dieses Aufbegehren gegen alles Etablierte. Es geht um speziellere Fragen, ohne Schwarzweiß-Beleuchtung.

Vierzig Theatermacher haben sich in diesem Jahr mit Konzepten für Theater- und Tanzprojekte beworben, fünf habt Ihr ins Programm aufgenommen. Was waren die Kriterien für die Auswahl?

Wir haben uns für Projekte entschieden, die eine gewisse Risikobereitschaft zeigen. Von Künstlern, die nach ihrem eigenem Weg suchen. Uns interessiert weniger die benutzte Textvorlage als der spezifische Ansatz, die Originalität.

Könnten Sie mit Blick auf die eingereichten Konzepte eine Tendenz des jungen Theaters beschreiben?

Es ist keine konkrete Richtung auszumachen. Allerdings gibt es eine Reihe von Projekten, die keine literarische Vorlage benutzen, sondern auf Materialien zurückgreifen wie Zeitungen, Film, Nachrichten oder Songs, die im Probenprozeß mit persönlichen Geschichten überschrieben werden. So arbeitet etwa der Copyclub, der Dreamcity zeigt.

Unterscheidet sich die Ästhetik dieser Freien Produktionen offensichtlich von den vier Abschlußarbeiten des staatlichen „Flimm“-Regiestudiengangs, die ihr auch vorstellt?

Im Grunde kann man eine Aussage darüber erst machen, wenn man die Ergebnisse sieht. Die Konzepte jedenfalls sind nicht sehr verschieden: Auch die Absolventen versuchen, mit Textvorlagen ganz anders umzugehen, wie etwa Nikolas Stemann mit Tschechows Möwe in TerrorSpiel.

Ihr wollt mit dem Festival den Begriff der „Live Art“focussieren. Wofür steht er?

Der Begriff kommt aus Groß Britannien von Künstlern, Theatertheoretikern und Veranstaltern, die etwas beschreiben wollten, was jenseits der Kategorien von Theater und Tanz liegt.

Also Performance?

Ja, aber der Begriff Performance ist in Deutschland sehr mit der Bildenden Kunst verbunden. Wir versuchen, den Begriff Live Art zu importieren, um etwas zu beschreiben, was im Grenzbereich verschiedener Genres liegt.

Können Sie das anhand der Eröffnungsveranstaltung, Jonzi Ds „Lyrical Fearta“, konkreter beschreiben?

Jonzi D war an der London School of Contemporary Dance, hat aber auch Street Dance gemacht und sich in der HipHop-Szene bewegt. Mit Lyrical Featre erzählt er seine Themen, ohne künstliche Figuren zu entwickeln; er ist immer auch Jonzi D auf der Bühne. Aber er spricht dabei verschiedene Sprachen: Breakdance, Bodypopping, Pantomime und Rap.

Ihr macht das Junge Hunde-Festival seit fünf Jahren. Was wollt Ihr damit?

Das ist schlicht: neue Leute entdecken. Und Einblick geben in das neue Kunstschaffen.

Fragen: Christiane Kühl

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