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Koalition läßt neue Staatsbürger hoffen

■ Beim Staatsbürgerschaftsrecht deutet sich Kompromiß an. Bald Einbürgerung?

Bonn (taz) – Beim Staatsangehörigkeitsrecht scheint ein Durchbruch für eine umfassende Reform gelungen zu sein. Die Koalition hat sich offenbar grundsätzlich dafür entschieden, Kinder von in Deutschland lebenden Ausländern automatisch einzubürgern und damit die doppelte Staatsbürgerschaft zuzulassen. Entgegen anderslautender Meldungen ist aber noch nichts entschieden.

CDU-Generalsekretär Peter Hintze hatte Anfang der Woche überraschend vorgeschlagen, die Kinder von in Deutschland lebenden Eltern im Schulalter die deutsche Staatsangehörigkeit zuzubilligen. Die FDP sowie eine Gruppe von jüngeren Abgeordneten der CDU plädieren für eine automatische Einbürgerung von der Geburt an. Die CSU und CDU-Hardliner, insbesondere Innenminister Manfred Kanther, lehnen dies ab. Der Hintze-Vorschlag soll offenbar einen Kompromiß darstellen, den beide Seiten ohne Gesichtsverlust mittragen können. Ausschlaggebend dafür soll das Engagement von Bundeskanzler Kohl gewesen sein, das Thema endlich „vom Tisch zu kriegen“. In der CDU/ CSU-Fraktionssitzung vom Dienstag sprach Kohl noch vor den Themen Steuern und Renten zunächst über die Staatsangehörigkeit. Erstmals erklärte er, daß „man bei den Kindern etwas tun muß“. In der Union wird dies so aufgefaßt, daß einer automatischen Einbürgerung von Ausländerkindern nichts mehr im Wege steht. Ob der Hintze-Vorschlag realisiert werde, sei aber ungewiß. Schließlich sei er nicht einmal konkret ausformuliert. Aus Kreisen der FDP heißt es, die Liberalen würden den Hintze-Vorschlag nicht mittragen. Es handele sich dabei um den in der Welt einmaligen Vorgang, ein willkürliches Datum festzulegen. Für eine Einbürgerung mit dem Eintritt in die Schule gebe es keinen Grund.

FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle zeigt sich aber zuversichtlich, daß in absehbarer Zeit ein Kompromiß im Streit um die deutsche Staatsangehörigkeit für Ausländerkinder möglich sei. Das jüngste Spitzengespräch zu dem Thema habe bei der CDU/CSU erste Fortschritte erkennen lassen. Westerwelle hofft, daß sich die CDU auf ihrer Bundesvorstandssitzung am Montag entscheiden wird.

Die einwanderungspolitische Sprecherin der FDP, Cornelia Schmalz-Jacobsen, hatte bereits im Bundestag zur automatischen Einbürgerung ungewöhnlich deutlich festgestellt: „Jeder weiß, daß es eine klare Mehrheit in diesem Hause gibt. Diese klare Mehrheit wird sich eines baldigen Tages ihr Abstimmungsverhalten suchen.“ Heftig widersprach die FDP einem Zeitungsartikel von gestern, in dem behauptet worden war, die Union habe sich mit ihrer Ablehnung eines Einwanderungsgesetzes gegen die FDP durchgesetzt. Es sei absurd, anzunehmen, die FDP würde schon eine Woche nachdem sie ihren Gesetzentwurf zum Einwanderungsgesetz vorgestellt habe, sang und klanglos darauf verzichten. „Wir haben das nicht zum Spaß gemacht.“ Markus Franz

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