■ Querspalte: Klasse. Lehrreich. Lustig.
Meist kommt das eigene Leben eher gelangweilt daher. Dann schreibt man was und läßt aus Langeweile danach das Rechtschreibprogramm des Computers laufen. Sinnvoll ist das sicher nicht – der Computer verfügt über einen schon recht bemerkenswert restringierten Code –, aber doch zuweilen ganz unterhaltsam: Der „restringierte Code“ verwandelt sich dann zum Beispiel in „resignierten Code“, statt „Ficken“ heißt es „flicken“ oder „dicken“, und „Möse“ verändert sich in „möge“, „Öse“ oder „Möwe“. Durch eine Computerkorrektur würden viele langweilige Texte einen charmant-surrealen Glanz kriegen, würde ich mal sagen, und sexuelle Wörter sind ohnehin ein unerschöpflicher Quell der Heiterkeit. Deswegen schreibt man sie so gerne hin und schaut auch immer ins Wörterbuch, wenn man gerade bei Freunden zum Essen eingeladen ist. Zum Beispiel nach „Möse“. Gibt es erwartungsgemäß nicht im dtv- Lexikon. Dafür aber „Mösien, lat. Moesia“, eine römische Provinz südlich der unteren Donau, die unterteilt war in „Niedermösien“ und „Obermösien“. Ursprünglich von thrakischen Volksstämmen bewohnt, wurde Mösien 29 v. Chr. von den Römern unterworfen und 382 n. Chr. westgotisch. Die „Mösogoten“ hielten sich bis ins 6. Jahrhundert; danach wurde Mösien von Slawen besetzt.
Klasse. Lehrreich. Lustig. Denkbar unlustig dagegen, wenn man, im Deutschen zumindest, sexuelle Wörter ungebrochen 1:1 verwendet, um blasiert zu demonstrieren, daß man seinen Sex gut im Griff hat, was ja ohnehin denkbar unsexy und nicht sonderlich erstrebenswert ist. Im Spiegel redet man gern vom „Gemächte“; in der taz von „Privatteilen“. Völliger Blödsinn; Sex mag zwar Privatsache sein, doch Geschlechtsteile sind selbstverständlich das Allgemeinste, was es so gibt. Käme keiner auf die Idee, sie zu duzen.
Gestern gab es übrigens Fisch. Der Fisch ist bekanntlich nicht nur Christus-, sondern auch Phallussymbol. Phallussymbole mit toten Augen liegen glitschig in der Hand, und man verzehrt sie mit Zitrone drauf. Detlef Kuhlbrodt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen