: Tödlicher Kampf unter Neonazis
■ Zwei Opfer bei Messerstecherei. Zusammenhang mit rechtsextremem Polizistenmord. Staatsschutz ermittelt
Berlin (taz) – Sie kamen von einem Polterabend. Sieben Rechtsextremisten, zwei aus Berlin, fünf aus dem sachsen-anhaltinischen Wittenberg. Sie hatten viel getrunken und verließen die Feier in einem Auto. Im Auto gab es Streit, und am Ende der Fahrt lag einer der Wittenberger tot im Auto, der andere starb auf der Straße. Die Polizei hat bereits zwei mutmaßliche Täter festgenommen.
In der Nacht zum Donnerstag wurden Olaf Schmidke und Chris Danneil, der eine Führer der rechtsextremen „Kameradschaft Wittenberg“, der andere Wittenberger „Kameradschafts“-Mitglied, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand der Polizei von Gesinnungsgenossen durch Messerstiche umgebracht. Gegen die beiden mutmaßlichen Täter, Detlef Nolde, ehemals Cholewa, und Lutz Schillock, hat die Staatsanwaltschaft Berlin gestern Anklage wegen gemeinschaftlichen zweifachen Mordes erhoben.
Die beiden Verdächtigen, die noch in der Nacht in unmittelbarer Nähe des Tatortes im Ostberliner Bezirk Treptow verhaftet wurden, sind in der rechtsextremistischen Szene keine Unbekannten: Nolde, ehemals Schulungsleiter der inzwischen verbotenen „Freiheitlichen Arbeiterpartei“ (FAP) und führender rechtsextremistischer Kader in Berlin, gehört zum Umfeld von Kai Diesner. Diesner, Mitglied des „Weißen Arischen Widerstands“ (WAW), ist wegen des Mordes an einem Polizisten in Schleswig-Holstein im vergangenen Februar angeklagt. Zuvor hatte er einen der PDS nahestehenden Buchhändler durch Schüsse aus einer Schrotflinte schwer verletzt. Cholewa wurde gemeinsam mit Diesner im August 1994 im Haus des ehemaligen Berliner Neonaziführers Arnulf Priem verhaftet und wegen Bildung eines „bewaffneten Haufens“ angeklagt. Schillock war nach Informationen des Antifaschistischen Infoblattes Berlin ebenfalls bei der FAP und hält Kontakte zu dänischen Neonazis.
Die beiden mutmaßlichen Täter waren zunächst, so die Sicherheitsbehörden, nicht vernehmungsfähig, da sie unter erheblichem Alkoholeinfluß gestanden hätten. Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen übernommen hat, sagte, derzeit sei davon auszugehen, daß die tödlichen Messerstiche einem Streit folgten. Über was man sich stritt, ist derzeit noch unbekannt. Einen politischen Hintergrund schließt die Staatsanwaltschaft jedoch nicht aus.
Der Chef des sachsen-anhaltinischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Wolfgang Heidelberg, nannte als möglichen Auslöser der Auseinandersetzung einen Streit um ein Fußballspiel. Er dementierte zugleich gegenüber der taz einen Bericht der Bild-Zeitung, demzufolge die beiden Opfer V-Männer des Verfassungsschutzes gewesen seien: Für seine Behörde hätten sie nicht gearbeitet. Der sachsen- anhaltinische PDS-Abgeordnete Matthias Gärtner wies demgegenüber darauf hin, daß die Informationen der Landesregierung Sachsen-Anhalt über die „Kameradschaft Wittenberg“ äußerst präzise seien. Deshalb geht Gärtner davon, aus, daß in der Kameradschaft V-Männer aktiv seien.
Barbara Junge Bericht und Interview Seite 4
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