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Banken in der Ostdepression

Berliner und ostdeutsche Banken werden durch Firmenpleiten und sinkende Immobilienpreise gebeutelt. Fusionen sollen Abhilfe schaffen  ■ Von Hannes Koch

Berlin (taz) – Chef einer Bank in Berlin zu sein entpuppt sich augenblicklich als unsicherer Job. Mehrere der Herren im feinen Tuch wurden von ihren Aufsichtsräten jüngst in den vorzeitigen Ruhestand geschickt. So können sich die beiden ehemaligen Vorstandssprecher der Bankgesellschaft Berlin AG, Hubertus Moser und Wolfgang Steinriede, jetzt ausschließlich dem Golfspielen widmen. Auch zwei Chefs der Bankgesellschaftstochter Berliner Bank wurden von ihren Aufgaben entbunden. Und den Vertrag von Jürgen Bostelmann, dem Vorstand der Grundkreditbank, will der Aufsichtsrat nicht verlängern.

Ursache des Trubels im Geldgewerbe: Die Krise der ostdeutschen Industrie und Immobilienbranche schlägt bei den Banken durch. Von den Instituten ausgegebene Kredite und Grundstücksdarlehen in Milliardenhöhe fließen nicht zurück, denn die Firmen sind pleite, und viele Immobilienprojekte haben massiv an Wert verloren. Herbe Verluste schlagen sich in den Bilanzen der Finanzhäuser nieder.

Bei der Köpenicker Bank scheint die Lage besonders prekär zu sein. Während der Vorstand 1996 schon im Februar seine Bilanz vorstellte, soll es dieses Jahr erst im Mai soweit sein – für BranchenkennerInnen ein Indiz, daß sich die Bank in Schwierigkeiten befindet. Die Verschiebung, so Bank-Sprecherin Birgit Ohlsen, habe nichts mit der „angespannten Situation“ zu tun. Sie räumt aber ein, daß „die Entwicklung gerade im Baubereich nicht spurlos an uns vorübergegangen ist“.

Im Berliner Stadtgebiet ist diese Entwicklung besonders kraß verlaufen. Zunächst zogen die Immobilienpreise um rund 300 Prozent an, um dann wieder um 100 Prozent einzubrechen. Die Banken haben für Grundstückskäufe und Bauprojekte Kredite vergeben, deren Höhe die heutigen Immobilienwerte oft bei weitem übersteigen. Die Differenz muß als Verlust in der Bilanz vermerkt werden.

110 Millionen Mark hat auf diese Art die Berliner Grundkreditbank verloren. „In der Schärfe gibt es das nur in Berlin“, weiß Axel Kehl vom Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken. „Doch ähnliches findet man auch in Dresden und anderen Städten Ostdeutschlands.“

Auch die gegenwärtigen Probleme der Bankgesellschaft Berlin, dem beherrschenden Finanzkonzern der Stadt, gelten nur als die Spitze des ostdeutschen Eisbergs. Kredite von bis zu 2,5 Milliarden Mark könnten verloren sein, weil die verschuldeten Industrieunternehmen inzwischen pleite sind oder kurz davor stehen. Die so hohe Risikovorsorge für 1996 hätte dem mehrheitlich landeseigenen Konzern beinahe rote Zahlen beschert und kostete den alten Vorstand vorzeitig den Job.

Die Bankgesellschaft soll nun umfassend reorganisiert werden. Laut Welt am Sonntag werden bis Ende 1998 im Konzern mehr als 1.900 Arbeitsplätze wegfallen; das wären mehr als zehn Prozent. Aufzuräumen gibt es für den neuen Bankgesellschaftsvorstand Wolfgang Rupf wie auch für seine ostdeutschen Kollegen jede Menge. Die „notleidenden Engagements“ im verarbeitenden Gewerbe, aber auch im Dienstleistungssektor, beträfen „fast alle Institute Ostdeutschlands“, heißt es beim Bankenverband mittel- und ostdeutscher Länder.

Nach 1990 „forderten Gott und die Welt von uns, den Aufbau Ost zu finanzieren“, sagt Verbandssprecher Kehl. Oftmals wurden dabei die Betriebe, denen die Banken Geld liehen, nicht genau geprüft. Das war vielfach auch gar nicht möglich, denn den Bankern fehlte die Erfahrung. Überdies konnten sie nicht wissen, ob die zu finanzierenden Firmen einen Markt für ihre Waren finden würden. Brisantere Probleme stellen allerdings Großunternehmen wie der in Konkurs gegangene Baukonzern Maculan dar, in dessen Pleite die Bankgesellschaft Berlin mindestens 70 Millionen Mark verlor.

Unterstützt vom Verband der Volks- und Raiffeisenbanken sucht die Berliner Grundkreditbank jetzt das Heil in der Fusion mit anderen Instituten. Die Verschmelzung mit der Berliner Volksbank und der Köpenicker Bank soll die Verwaltungskosten verringern, um wenigstens ansatzweise einen Ausgleich für die Verluste zu schaffen. Damit wollen die vornehmlich regional arbeitenden Institute auch verhindern, daß sie von den zunehmend global agierenden Finanzkonzernen vom Markt gefegt werden.

Auch die gebeutelte Bankgesellschaft Berlin denkt an Fusion. Bis zur nächsten Hauptversammlung im Juni will Vorstand Wolfgang Rupf klären, ob die Verschmelzung mit der Norddeutschen Landesbank möglich ist. Dadurch würde einer der größten Bankkonzerne der Bundesrepublik entstehen, der auch die Verluste im Ostgeschäft mit seiner Kapitalkraft besser abfedern könnte.

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