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Ein neues Heinzelmännchen

FC St. Pauli: Präsident Heinz Weisener schaßt Trainer Uli Maslo. Nachfolger Nemet hofft auf „Eisen-Dieter“und neues Spielsystem  ■ Von Clemens Gerlach

Der FC St. Pauli blieb sich treu. Erst hatte der „etwas andere Bundesligaverein“mit dem Hang zur Chaotik eine Pressekonferenz für gestern 12 Uhr anberaumt, um die Entlassung von Coach Uli Maslo öffentlich zu machen. Dann war plötzlich von einer Verschiebung auf 15 Uhr die Rede. Am Ende stand eine Pressemitteilung von sieben Zeilen, die kurz vor eins in die Redaktionsstuben tickerte.

„Mit sofortiger Wirkung“habe sich der Fußball-Erstligist „von seinem Trainer Ulrich Maslo getrennt“, hieß es da. Das war nach dem 0:4-Debakel in Freiburg am Sonnabend auch nicht anders erwartet worden (taz berichtete). Überraschend war schon eher der zweite Absatz: „Das Training wird bis zum Saisonende vom bisherigen Co-Trainer Klaus-Peter Nemet übernommen.“Die eigentliche Sensation war jedoch die Nachricht, daß Dieter Schlindwein vom Reservisten zum Co-Trainer befördert wird. „Die Mannschaft wird sich jetzt zerreißen“, kündigte Eisen-Dieter an, der sich kürzlich einen A-Trainer-Schein ergrätscht hatte.

Der „anhaltende sportliche Mißerfolg“beim Tabellen-Vorletzten habe keine andere Wahl als die Trennung von Maslo gelassen, erklärte Präsident Heinz Weisener gestern nachmittag am Rande des ersten vom neuen Übungsleiter Kape Nemet geleiteten Trainings. Maslo habe „die alleinige Verantwortung“für den Zustand der Mannschaft. Dieser sei ebenso schlecht wie des geschaßten Trainers „Umgang mit der Mannschaft“. Viele Spieler, so Weisener, hätten ihm gestanden, sie seien „gar nicht glücklich“mit dem Trainer gewesen, der seit dem 18. Juli 1994 am Millerntor gearbeitet hat. „Wir wollen mit unserer Entscheidung ein Signal für eine Bewegung zum Positiven setzen“, verkündete Papa Heinz im Hinblick auf das für den Klassenerhalt entscheidende Heimspiel am Donnerstag gegen Rostock.

Der 58jährige Maslo zeigte sich „tief enttäuscht“. Er könne alles nicht so einfach abhaken. „Ich habe schließlich zweieinhalb Jahre erfolgreich gearbeitet“, meinte der – nun nicht mehr – älteste Bundesliga-Trainer. Grund zur Selbstkritik sah er nicht: „Ich würde alles noch einmal genauso machen.“Es gebe nur einen, der die Mannschaft vor dem Abstieg retten könne: „Uli Maslo.“Soviel Selbstvertrauen hat seinen Preis: Eine halbe Million Mark Abfindung ist im Gespräch. Zuviel, findet Weisener, der erst im Januar Maslos Vertrag bis 1998 verlängerte. Gestern konnten sich beide Parteien nicht einigen.

Keine Probleme gab es hingegen mit dem 43jährigen Nemet. Der habe sofort zugesagt, als er ihn „von seinem Glück“unterrichtet habe, freute sich Weisener. Vorerst soll der ausgebildete Sport-Lehrer den FC in den restlichen sechs Saisonspielen betreuen. Nemets erste Maßnahme als Chefcoach: „Wir spielen ein anderes System.“Vielleicht ja sogar ein erfolgreicheres als vormals Maslo.

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