: Widerstand relativiert Verbrechen nicht
■ Der 20. Juli und der „Aufstand des Gewissens“der Wehrmacht - kein Widerstand beim Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion
Von Bürgermeister Henning Scherf, dem Präsidenten der Bremer Bürgerschaft, Reinhard Metz, und dem Leiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes des Verteidigungsministeriums, Kapitän Werner Rahn, wurde gestern die zweite Wehrmachtsausstellung zum militärischen Widerstand, „Aufstand des Gewissens“, in der unteren Rathaushalle eröffnet. Bis zum 5. Mai ist hier auf 30 Stelltafeln das Geschehen rund um das Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 dargestellt – angefangen bei der „ungeliebten Republik“.
Der Krieg gegen die Sowjetunion, so erklärte Rahn, sei auch von den Gegnern Hitlers in der Wehrmacht „willig mitgemacht und mitgetragen“worden, der „Widerstand ging gegen Null“in dieser Phase. Selbst gegen die „verbrecherischen Befehle“Hitlers an die Armee „gab es keinen offenen Widerspruch der verantwortlichen Befehlshaber“. Hitler habe mit der erbarmungslosen Partisanenbekämpfung die Chance gesehen, „sein Vernichtungsprogramm als militärische Maßnahme zu drapieren“.
Über das Ausmaß der Verstrickung der Wehrmacht in das „Vernichtungprogramm“gibt diese Ausstellung keine Auskunft, diese Lücke in der historischen Aufarbeitung füllt erst die Ausstellung „Vernichtungskrieg“des Hamburger Instituts für Sozialforschung, die Ende Mai nach Bremen kommt.
„Die Tatsache, daß es Widerstand gab, relativiert nicht die begangenen Verbrechen“, stellte der CDU-Politiker Reinhard Metz klar. Die Vernichtungskrieg-Ausstellung, die erstmals einem breiteren Publikum Auskunft über die lange verschwiegenen Verbrechen der Wehrmacht gibt, könnte zu „Selbstgerechtigkeit der Jüngeren“Anlaß geben, sorgte sich Metz. Es sei in Bremen aber gelungen, den Streit um diese zweiter Ausstellung „nicht maßlos werden zu lassen“.
Scherf hatte einleitend mit Weizsäcker gefordert: „Wir Älteren schulden der Jugend Offenheit und Rechenschaft.“Wenn junge Menschen die Haltung vieler Älterer als „unannehmbar empfinden, dann ist das halt so“. Es gehe darum, alles zu tun, „damit sie nie in ihrem Leben in die Lage kommen, in der die Älteren waren“.
Das relativierende, nicht ins Detail gehende Eingeständnis der Verstrickung der Wehrmacht in den Vernichtungskrieg und das Bekenntnis zum Bruch des Fahneneids durch die Widerständler des 20. Juli gehört heute zum Selbstverständnis der Bundeswehr. Darüber gab es in den 50er Jahren einen heftigen Streit. Anfang der 50er Jahre hatte die Mehrheit der Soldatenverbände die Männer des 20. Juli als Fahneneid-Brecher noch strikt abgelehnt. Über die Beteiligung an den Verbrechen des NS-Vormarsches gibt es weder in soldatischen Erinnerungsbänden einen Hinweis noch in den damaligen historischen Studien.
Der brisante Punkt der aktuellen Diskussion auch des Militärhistorischen Forschungsamtes des Verteidigungsministeriums ist die Frage, in welchem Ausmaß die Männer des Widerstands des 20. Juli 1944 vorher in ihren verantwortlichen Positionen etwa in der 6. Armee zu „Mittätern“geworden waren. Der Leiter des Forschungsamtes lehnt es ab, wenn „allein aus der Tätigkeit in einem Stab einer Heeresgruppe und der sich daraus ergebenden laufenden Kenntnisnahme von Meldungen und Berichten eine unmittelbare Beteiligung dieser Offiziere an Massenverbrechen“konstruiert werden soll. K.W.
Untere Rathaushalle, bis 5.Mai
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