Sammeln, siedeln etc.: Leuchtturm im Reisefieber
■ Feldafing sagt nein, und Berlin sagt auch nein: Wohin also mit der Kunstsammlung von Lothar-Günther Buchheim?
Der Streit begann in der Provinz, und dort wird er wohl vorerst auch bleiben. Nachdem das 4.000-Einwohner-Dorf Feldafing am Starnberger See sich per Volksentscheid gegen ein „Museum der Phantasie“ für die Kunstsammlung des ortsansässigen Schriftstellers Lothar-Günther Buchheim ausgesprochen hat, will sich nun Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) für den Verbleib der Kunst in Bayern einsetzen.
Die Verhandlungen mit anderen bayerischen Gemeinden sollen vorangetrieben werden, damit das „höhnische Gelächter über Bayern wieder verstummt“, so Stoiber in der Süddeutschen Zeitung. Auch der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair zeigte sich erbost über seine Landsleute. Jetzt hofft er, die von Buchheim geplante Museumsstiftung nach München holen zu können. Das würde nur nicht mehr den Wünschen des Bestsellerautors („Das Boot“) entsprechen, der sein Museum als eine romantische Verbindung von Natur und Kunst geplant hatte. Buchheims Vorbild ist das 40 Kilometer von Kopenhagen im dänischen Humblebæk gelegene Louisiana-Museum, das der Industrielle Knud W. Jensen als eine Art Familienpark mit Picasso-Skulpturen angelegt hat.
Diese Art Freizeitvergnügen wollen die Feldafinger jedoch vermeiden: Die Gemeinde hat dem mürrischen Schriftsteller eine Absage erteilt, weil man befürchtet, von einer gewaltigen Tourismuswelle überrollt zu werden. Solche Ängstlichkeiten haben in Bayern Tradition – auch Konstantin Weckers Musical „Dream King“ über Ludwig II. war aus Füssen verbannt worden, weil man wegen der Errichtung einer Festspielhalle gegenüber von Schloß Neuschwanstein eine Verschandelung des Naturschutzgebiets am Forggensee befürchtete. Buchheims vergrätzter Kommentar zum Scheitern seines Projekts: „Gute Nacht, Deutschland.“
Nun hofft man einmal mehr in Berlin auf eine mögliche Übernahme der heimatlosen Kunst, zumindest in den Redaktionen der Bild und des Feuilletons der Berliner Zeitung. Dort wurde am Montag in einem Kommentar angedeutet, daß der Heidelberger Bauunternehmer Roland Ernst daran denke, den Buchheim-Schatz in die Hauptstadt zu holen. Angeblich möchte der Mäzen die Kollektion mit Meisterwerken des Expressionismus „in das Gebäude der ehemaligen Akademie für Gesellschaftswissenschaften in der Taubenstraße vermitteln, in dem er Räume zur Verfügung stellen könnte“. Diese Idee mag zwar dem leuchtturmförmigen Kulturverständnis entsprechen, das in der Hauptstadt oft gepflegt wird. Die Träume des Herrn Ernst liegen allerdings bald vier Jahre zurück. Damals hatte der Bauunternehmer mit dem Ehepaar Buchheim über einen möglichen Sammlungstransfer gesprochen. Tatsächlich wurde dann jedoch ein Staatsvertrag zwischen Bayern, den Buchheims und dem Heidelberger Bauunternehmer geschlossen, der dem Freistaat in jedem Fall den Vorzug gibt: „Alle Wünsche haben dagegen hintanzustehen“, lautete gestern der Kommentar von Sonja Brandt, der Berliner Pressesprecherin von Ernst, die sich über die „reinen Spekulationen“ sehr ärgert, mit denen sich das Klima zwischen Berlin und dem bayerischen Rest der Republik nicht unbedingt verbessert.
Zumindest der Berliner Senat sieht den Reibereien gelassen entgegen: Es gibt „keine konkreten Angebote, weder von Herrn Buchheim noch von Herrn Ernst“, erklärte Kerstin Schneider, Sprecherin des Kultursenators, auf Anfrage. Selbst will man in dieser Sache nicht tätig werden, auch wenn sich Buchheims Expressionisten formidabel als Ergänzung für die eigene Reihe an Arbeiten dieser Epoche im Brücke-Museum einpassen würden. Man könnte sich sowohl mit dem Sammler als auch mit dem Mäzen über eine „kostenneutrale Lösung“ verständigen, „aber an eine eigene Initiative denken wir nicht.“ Schließlich wurde in den vergangenen Jahren mit der Sammlung Berggruen oder der Marx-Kollektion ein gewaltiger Sammlungsapparat aufgebaut: „Wenn Herr Zehetmair die Sammlung in Bayern halten will, ist das in Ordnung.“ Offenbar hat man in Berlin gelernt, auch einmal nein zu sagen. Harald Fricke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen