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Steuerreform abgeschrieben

■ Steuergespräche zwischen Koalition und SPD geplatzt. Entlastung für den Bürger 1999 oder nächstes Jahrtausend

Bonn (taz) – Die Gespräche zwischen Regierung und SPD über die geplante Steuerreform sind gestern gescheitert. Beide Seiten machten sich gegenseitig dafür verantwortlich und warfen sich „Blockadepolitik“ vor. Die Koalition will nun für 1999 ihre Steuerreform über den parlamentarischen Weg durchsetzen. Oskar Lafontaine verkündete, daß die SPD dies verhindern werde. Dann wäre eine Entlastung der Bürger bis ins nächste Jahrtausend verschoben.

Die vierte und letzte Verhandlungsrunde war bereits nach einer halben Stunde beendet. Die Koalition war offenbar auf ein kurzes Gespräch eingestellt. Entgegen der Gewohnheit gab es nicht einmal belegte Brote. Bundeskanzler Kohl hatte im Bundeskanzleramt das Gespräch sinngemäß mit den Worten eröffnet: Lassen Sie uns heute feststellen, was festzustellen ist, nämlich daß die Fortsetzung keinen Sinn mehr macht. Während die Verhandlung noch andauerte, kursierte bereits eine Presseerklärung der Koalition zum Ende der Steuergespräche.

Finanzminister Theo Waigel warf Oskar Lafontaine vor, die SPD sei zu einer umfassenden Lösung der Probleme nicht in der Lage. Es sei unsinnig, einerseits eine Finanzierungslücke anzuprangern und andererseits die Besteuerung von Schichtarbeit und Renten abzulehnen sowie auf einem höheren Kindergeld zu bestehen.

Lafontaine kritisierte die Regierung, sie habe sich „keinen Millimeter bewegt“. Dabei sei bei den Lohnnebenkosten, den Eingangssteuersätzen sowie bei der Körperschaftssteuer eine Einigung möglich gewesen. Die Reformpläne der Regierung richteten sich gegen das Volk. Sie würden von einer breiten Mehrheit, wie Pendler, Schichtarbeiter, Rentner und Besitzer von Lebensversicherungen, abgelehnt. Die Bundesregierung setzt nun darauf, daß der Bundestag bis zum 27. Juni über den vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf für die Steuerreform 1999 beschließen wird. CDU-Fraktionschef Schäuble sagte, die Gespräche mit der SPD hätten zwar nichts genützt, aber auch nichts geschadet. Die Koalition befinde sich im Zeitplan. Er setze darauf, daß einige SPD-Ministerpräsidenten ihren Widerstand gegen die Reform aufgeben.

SPD-Chef Oskar Lafontaine stellte dagegen eine Steuerreform 1999 in Frage. Es sei „völlig ausgeschlossen“, daß sich eine „neue Steuerlüge im Gesetzblatt wiederfinden würde“. Damit spielte er auf die von der Koalition angestrebte Nettoentlastung von 30 Milliarden Mark an. Angesichts der Haushaltslage sei dies unmöglich zu finanzieren. „Wann wir uns wiedersehen werden?“ fragte Lafontaine, um selbst zu antworten: „Auf dem Boden der Tatsachen nach der Steuerschätzung im Mai. Die SPD geht von einem Defizit in zweistelliger Milliardenhöhe aus. Waigel selbst bezifferte den Fehlbetrag gestern auf über 10 Milliarden Mark.

Der SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping kündigte seinerseits einen Gesetzentwurf der SPD an, um die Lohnnebenkosten noch in diesem Jahr um 30 Milliarden Mark zu senken. Arbeitnehmern und Unternehmen solle eine Nettoentlastung von 7 bis 10 Milliarden bleiben.

In Politik und Wirtschaft wurde das Scheitern der Gespräche bedauert. Die Grünen-Fraktionssprecher Kerstin Müller und Joschka Fischer meinten, Koalition und SPD hätten „die Sache mutwillig an die Wand fahren lassen“. Negative Folgen für die Konjunktur und Unsicherheiten für die Beschäftigten befürchtet die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG).

Markus Franz Bericht Seite 5

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