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Let's kost the Ost

Oasen für Velotouristen in Mecklenburg und Brandenburg, die jedoch noch nicht erschlossen sind  ■ Von Kathi Seefeld

Vor allem für Westberliner haben sich nach der Wende neue Horizonte für Naherholung per Velo eröffnet. Doch für Axel von Blomberg, Berliner Autor und Geschäftsführer des ADFC Brandenburg in Potsdam, ist die Mark Brandenburg auch fast acht Jahre nach dem Mauerfall das Land mit dem schlimmsten Radwegenetz „gleich nach Portugal“. Dabei gehe es ihm nicht um „vergoldete Wege“, die – wie im Fläming geschehen – parallel zur asphaltierten und ausnahmsweise auch kaum befahrenen Straße für teures Geld gebaut werden. Radwanderwege leben vielmehr von ihrem Netz, ihrer Beschilderung, die, wie der Radfahrexperte einschätzt, „durchaus nach dem alten DDR- Kulturbundprinzip mit grün lackierten Holzwegweisern weitergeführt werden kann“.

In den reizvollen Morast- und Sumpfgebieten Brandenburgs wie zum Beispiel im Havelländischen oder dem Rhin-Luch ebenso wie im Oderbruch existierten noch viele Betonplattenwege, „die zu befahren zwar ein ambivalentes Vergnügen ist“, zu deren Erschließung in der Nachwendezeit nach Ansicht von Blombergs jedoch leider viel zu wenig unternommen worden ist.

Benno Koch, Sprecher des ADFC in Berlin, bedauert, daß so hervorragend geeignete Strecken wie der alte Postweg nach Kiez- Kostrzyn, ein Deichweg entlang der Oder, kaum ausgewiesen sind und beworben werden. Für Blomberg ist es mehr ein Gefühl, das er durch einiges Erlebtes unterstreichen kann, weniger das Ergebnis statistischer Erhebungen: Die Brandenburger selbst können mit der Anziehungskraft von Fahrradtourismus wenig anfangen. „Das Rad gilt hier wendebedingt als Arme-Leute-Verkehrsmittel.“ Viele hätten hier so lange auf ein Auto gewartet, daß sie Argumenten für ein anderes, urbanes Verkehrsmittel schlichtweg nicht zugänglich seien.

„In Senftenberg habe ich eine Abfuhr von Sperrmüll gesehen, da waren einfach mal die fünf Fahrräder eines Haushalts ausrangiert worden.“ Stünden, so Koch, Entscheidungen über die Vergabe von Födermitteln an, rangieren Radwanderwege oft an hinteren Positionen.

Dennoch hat sich auch in Brandenburg punktuell in Sachen Fahrradtourismus einiges entwickelt. Axel von Blomberg empfiehlt für Mountainbike-Fans die Gegend bei Templin. „Im Oderbruch wird jetzt ein Pfandleihsystem für Fahrräder aufgebaut, bei welchem der Nutzer sich ein Spezialrad wie einen Einkaufswagen per Münze entnimmt.“

Eine gute Zusammenarbeit gibt es nach Ansicht des Radtourismus- Experten auch mit der Deutschen Bahn (DB). „Schließlich sollen unsere Fahrradtouristen ja nicht mit dem Auto, zum Beispiel aus Berlin, anreisen.“ Bike-Expresse werden am 11. Mai nach Kiez-Kostrzyn und am 24. Mai nach Ueckermünde verkehren. Seit 1. April sind auch wieder Mehrtagesfahrradkarten zu erwerben. Mitte Juni wird der ADFC mit Unterstützung der DB den Spreeradweg eröffnen.

Zufrieden ist Axel von Blomberg dennoch nicht. „Was hier in Brandenburg fehlt, ist die Erkenntnis, daß Fahrradtouristen heute nicht einfach ein paar Abenteurer ohne einen Pfennig in der Tasche sind. Mit Radtourismus, ich kenne das aus dem süddeutschen Raum, ist heute einfach mal richtig Geld zu machen.“ Radtouristen sind meist ältere Leute, die Geld haben, sich ein wenig Umweltbewußtsein bewahren konnten und die auf ihren Radrundreisen nicht auf einen gewissen Standard verzichten möchten. Es könnten viele Arbeitslose der Regionen Beschäftigung finden, meint der Reiseleiter, indem sie solchen Leuten mit ausgesuchten Radwandertouren ihre schöne Heimat näherbringen.

In Mecklenburg-Vorpommern hat eine statistische Erhebung des Fremdenverkehrsverbandes „Mecklenburgische Seenplatte“ ergeben, daß von den mehr als 200.000 Tagesbesuchern und 307.671 Übernachtern 1995 allein in der Stadt Plau am See mehr als 20 Prozent Radfahren als Urlaubsmotiv angaben. Dabei kam das Gros der Gäste aus Nordrhein- Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen und war durchschnittlich 46 Jahre alt.

Der Fremdenverkehrsverband reagierte auf die Bedürfnisse, bot mit „Komm aufs Rad“ im vergangenen Herbst zusätzlich geführte Radwanderungen durch die Mecklenburgische Seenplatte an. Touren von 20 bis 60 Kilometer am Tag „Auf den Spuren der Eiszeit“ durch den Müritz-Nationalpark, kombiniert mit Schiffstouren oder mit Einkehr in diversen Gastlichkeiten, mit Übernachtungen in kleinen Pensionen oder Hotels, mit feudalem Frühstück oder „Möglichkeiten zum Füllen der Proviantbeutel“, auf jeden Fall mit Fahrradausleihe und Gepäcktransfer, lockten Hunderte RadlerInnen ins herbstliche Mecklenburg. Die Angebote stehen auch in diesem Jahr, sollten nach Einschätzung des Fremdenverkehrsverbandes und des ADFC allerdings noch besser beworben werden als bislang geschehen.

Der ADFC Brandenburg hat rechtzeitig zum Frühjahr eine Zusammenfassung aller Literatur zum Thema Radwandern im Land Brandenburg erstellt, darüber hinaus wurde eine erste Tourensammlung für interessierte Radfahrer vor allem rund um Potsdam herausgegeben.

Kontakte: Regionaler Fremdenverkehrsverband „Mecklenburgische Seenplatte“ e. V., Röbel/Müritz, Tel. 039931-51381;

ADFC Brandenburg, Geschäftsstelle Potsdam, Tel. 0331-2800595, Fax 0331-2707077;

ADFC Berlin, Tel. 4484724

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