Versprochen ist versprochen

■ Hochschulverträge sollen das Mißtrauen der Hochschulen gegenüber der Politik entschärfen. Doch noch zieren sich die Berliner Universitäten

Nun sind sie unter Dach und Fach, die Verträge zwischen Hochschulen und dem Berliner Senat. Obwohl letztendlich alle einwilligen werden, ist niemand glücklich mit dem Vertragswerk. „Die Verträge sind Blödsinn und sittenwidrig“, sagt Ulrike Gonzales vom AStA der Freien Universität. Anselm Lange, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen sekundiert: „Der Abschluß der Rahmenverträge ändert wenig an der katastrophalen Hochschulsituation.“

Die Hochschulen akzeptieren wieder einmal Kürzungen im Bildungsbereich und versprechen Reformen zur „Effizienzsteigerung“. Dafür verspricht ihnen die Politik, nicht noch mehr zu kürzen. „Weitere Kürzungen sind jetzt so etwas wie ein Tabu“, läßt die Sprecherin des Wissenschaftssenators, Kerstin Schneider, wissen. Balsam für die Ohren der geschundenen Unis.

In den Verträgen sind für jede Hochschule die genauen Einsparungen bis zum Jahr 2000 festgelegt. Die Präambel liest sich wie das Programm einer Wirtschaftsorganisation. Von „Leistungsvergleichen“ oder „Controllingmaßnahmen“ ist da die Rede. Die Stätten höherer Bildung sollen „wettbewerbsfähiger und wirtschaftlicher“ werden. Was in der Präambel nebulös daherkommt, wird bald konkreter.

In den 18 Paragraphen steckt Zunder: Neben dem Versprechen, nicht noch mehr zu Kürzen, wird den Hochschulen angeboten, Grundstücke zu verkaufen und das Geld nicht an die Landeskasse abgeben zu müssen. Besonders die Humboldt-Universität (HU) ist über diese Vereinbarung glücklich, denn sie hat noch viele Filetstücke abzugeben. Die Freie Universität (FU) dagegen geht bei diesem Deal fast leer aus – hauptsächlich deshalb zieren sich die Dahlemer so lange mit der Paraphierung des Vertrages. Durch erhöhte Benutzungs- und Verwaltungsgebühren, Wissenschaftssponsoring und Stiftungen sollen neue Geldquellen gefunden werden. Damit will die Verwaltugn die Kosten für Eignungsprüfungen decken.

Eignungsprüfungen? Im Paragraph 16 verpflichten sich die Hochschulen und die Politik beiderseits, durch „gezielte Studienreformmaßnahmen“ die wissenschaftliche Qualität zu retten und die Studienzeiten zu verkürzen. In Zukunft sollen die Hochschulen bis zu 30 Prozent ihrer Studienbewerber selber aussuchen dürfen. Die zeitliche Daumenschraube soll wieder mal enger gedreht werden: Mit Studienverlaufsplänen, obligatorischen Studienberatungen und frühen Zwischenprüfungen will man den Studierenden Beine machen. Für Abschlußarbeiten werden in Zukunft nur noch in Ausnahmefällen sechs Monate zur Verfügung stehen.

Daß die Unis die Kürzungssummen schriftlich haben wollen, hat einen Hintergrund. Im Sommer 1993 wurden die Universitäten vom damaligen Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) eingelullt: Ein „Hochschulstrukturplan“ (HSP) kündigte gravierende Einschnitte in demokratische Mitbestimmung und wissenschaftliche Unabhängigkeit an. Dem Import-Terminator-Senator aus Baden-Württemberg waren

die Berliner Universitäten mit ihrem progressiven „Berliner Hochschulgesetz“ zu unabhängig.

Damit diese Kröte geschluckt werde, versprach Erhardt im Gegenzug finanzielle Planungssicherheit bis weit ins nächste Jahrtausend. Die Uni-Leitungen verließen sich auf das Versprechen der Politik. Doch am Ende hieß es: nichts gewesen außer Spesen. Erste Einschnitte in die Uni-Demokratie waren beschlossene Sache, doch von Jahr zu Jahr mußte mehr Geld eingespart werden als im HSP 1993 angekündigt. So wuchs das Mißtrauen gegenüber dem Senat.

Obwohl der Haushaltstitel für die Unis der größte Posten der Berliner Finanzplanung ist, eines ist nun klar: 410 Millionen Mark müssen bis zum Jahr 2000 eingespart werden. Darunter leiden vorrangig der wissenschaftliche Nachwuchs und die Qualität der Lehre. Damit die Unis sich auf die Kürzungen einlassen, wartet Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) mit einer Idee auf: die Hochschulverträge.

Mit dem Fraktionschef der SPD, Klaus Böger, fand Radunski schnell einen verläßlichen Bündnispartner für seine Vertragsidee. Der SPD-Finanzsenatorin Fugmann-Heesing wurde die Rolle der knausernden Sparkommissarin aufgedrängt. Anfang April entdeckte auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen sein Interesse für Hochschulpolitik. Um die Chancen für Radunski in der drohenden Auseinandersetzung mit Fugmann-Heesing zu verbessern, ließ sich Diepgen sogar dazu herab, eine Regierungserklärung zum Thema Hochschulpolitik abzugeben. Fugmann-Heesing gab nach, der Weg für die Verträge ist nun frei. Die Unis müssen nun ein letztes Mal zustimmen. Christoph Dowe