: Der elegant exaltierte Eckzahn
■ Der dänische Tänzer und Choreograph Thomas Hejlesen mit „Soloschön 1 und 2“bei den „Jungen Hunden“auf Kampnagel
Ja, wo sind denn die Künstler? Nur schwarze und weiße Rechtecke sind zu sehen. Schwebt ein Keyboard in der Luft? Da, ein Hinterkopf schält sich aus dem Dunkel, Finger legen sich auf Tasten, ein Gesicht erscheint. Wie aus dem Nichts bewegt sich ein Körper langsam nach vorne und ergreift in großen Schritten den Raum.
So verwirrend still – und auch ein wenig langatmig – begann die Performance des dänischen Choreographen Thomas Hejlesen, die Freitag im Rahmen des Junge Hunde-Festivals auf Kampnagel gezeigt wurde. Seine erste Soloproduktion nach zehn Jahren Regiearbeit bestach durch leise Ironie, strenge Eleganz und exaltierte Manieriertheit. Minimalistische Gesten wie das Spreizen der Finger und das Drehen des Handgelenks steigerten sich in ein hingebungsvolles Biegen des Oberkörpers, doch der theatralische Habitus wurde immer wieder durch betont lässige Bewegungen durchbrochen.
Manchmal erinnerte Hejlesen an Murnaus Nosferatu, wenn er mit seinem kahlgeschorenen Kopf und dem geöffneten Mund die Schneidezähne zum Biß entblößte. Doch das einzige potentielle Opfer lag geschützt auf einem hohen Podest außer Saugweite: Der Organist Jens E. Christensen spielte auf einem von der Decke hängenden elektronischen Cembalo entspannt im Liegen Bachs Toccato D Major und Sonaten des portugiesischen Rokoko-Komponisten Carlos Seixas. In den Spielpausen, wenn der Tänzer mit weicher Stimme und in sehr artikuliertem Deutsch Worte wie „Selbstbewußtsein“, „Selbstsicherheit“oder „Unabhängigkeit“aussprach, als würde er uns funkelnde Juwelen schenken, stützte sich der liegende Musiker aufs Kissen und wandte dem Publikum aufmerksam das Gesicht zu.
„Ganz allein ist schön“, verkündete der Tänzer. Schön anzuschaun waren seine langsamen, vom japanischen Butoh-Tanz beeinflußten Bewegungsabläufe. Und schön anzuhören waren die Töne, die Christensen dem Keyboard entlockte – vom leisen Rauschen bis zu elektronisch verzerrten Synthesizerklängen. Auch der kleine weiße Knebel, den sich Hejlesen im zweiten Akt, nun ganz in Weiß gehüllt, in den Mund schob, war beileibe nicht schockierend, sondern zierlich und formschön.
Nur eins war gar nicht schön und hätte fast den eigenwilligen, zeitlos-dekadenten Flair dieser Performance zerstört: das wiederholte laute Klacken eines Fotoapparates in die tiefste Stille hinein.
Karin Liebe
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