: „Gedenkminute“für tote Tiere
■ In City und Neuwiedenthal: Tierschützer gegen Tierversuche
Hamburgs TierschützerInnen machten am Wochenende gegen Tierversuche mobil: In der City prangerten als blutrünstige Mediziner verkleidete Mitglieder des „Bundesverbandes der TierbefreierInnen“das Leid von Millionen Kreaturen in den „wissenschaftlich-medizinischen Folterstätten“an. Zeitgleich protestierten im Stadtteil Neuwiedenthal 200 Menschen vor den Toren einer Tierversuchsanstalt gegen „Tierfolter“. Zu der Demonstration hatte die „Tierschutzpartei“aufgerufen, die auch zur Bürgerschaftswahl am 21. September antreten wird.
Der Demonstrationszug durch Neuwiedenthal, dem sich Mitglieder verschiedener Tierschutzgruppen aus dem gesamten Bundesgebiet angeschlossen hatten, endete in einer idyllisch gelegenen Sackgasse – ein symbolischer Abschluß der Kundgebung, denn das am Ende des Redderwegs hinter hohen Zäunen gelegene Laboratorium war bereits für Generationen von Versuchstieren die Endstation. Nach einer „Gedenkminute für alle mißhandelten und ermordeten Tiere“verlas Demo-Organisator Gernot Dreher, auch Landesvorsitzender der Tierschutzpartei, einen offenen Brief: „Herr Professor Dr. Leuschner, hören Sie auf mit den qualvollen, lebensverachtenden Tierversuchen!“Der angefeindete Experimentator unterhält in Norddeutschland vier Versuchsanstalten und ist nach Drehers Informationen der größte Betreiber in Europa.
Die Zahl der jährlich „verbrauchten“Versuchstiere ist umstritten. Bundes-Landwirtschaftsminister Jochen Borchert meldete im Oktober vergangenen Jahres für 1995 einen Rückgang der Versuchstierzahlen um 116.000 auf 1,6 Millionen. Dem widersprechen die Tierrechtler. Viele Versuche würden verschleiert und müßten nicht gemeldet werden. Außerdem eröffneten ständig neue Laboratorien und „Zuchtfabriken“im Gen- und Umwelttechnikbereich. So geht der Bundesverband der TierbefreierInnen von 40.000 bis 100.000 Tieren aus, die jeden Tag in deutschen Versuchslaboren ihr Leben lassen.
Mit einem Happening auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz machte die Hamburger Aktionsgruppe des Bundesverbandes auf das Tierleid aufmerksam. „Dr. Blutrausch“vom Allgemeinen Klinikum, „Dr. Klonen“vom Gentechnik-Zentrum und „Frau von Lügen“vom Internationalen Pharma-Institut „beantworteten“Fragen interessierter Passanten. „Die Herrschaften mußten bestätigen, daß Tierversuche wenig bis gar keine Aussagekraft haben“, sagte Bundesverbands-Sprecher Kristian Habermann: „Nur ein Beispiel: Von 0,5 bis 2 Milligramm (mg) Skoppolamin wird ein Mensch schwer vergiftet. Aber Hund und Katze vertragen 100 bis 200 mg derselben Substanz.“Volker Stahl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen