: Im Silicon Valley der Gentechnik
Etwa 40 zumeist jugendliche Protestler gegen genmanipulierte Zuckerrüben halten ein Feld in Mittelfranken besetzt. Das Ultimatum des US-Chemiekonzerns Monsanto läuft heute ab ■ Aus Uffenheim Bernd Siegler
„Ich habe das Gefühl, daß unbedarfte Schüler im Interesse einer Partei vorgeschoben werden.“ Christoph Hammer, Regierungsrat im Landratsamt Neustadt/ Aisch ist aufgebracht. In der konservativen, ländlich geprägten Region um die mittelfränkische Kleinstadt Uffenheim passieren ungewöhnliche Dinge. Unterschriften werden gesammelt, Protestversammlungen finden statt, und jetzt üben sich auch noch etwa 40 Umweltschützer, meist SchülerInnen zwischen 18 und 21 Jahren, in zivilem Ungehorsam. Sie halten seit mehr als einer Woche ein Feld besetzt, auf dem die US-Firma Monsanto genetisch veränderte Zuckerrüben aussäen will.
Die CSU, so tönt es aus dem Munde des bayerischen Umweltministers Thomas Goppel, will aus dem Freistaat ein „Silicon Valley der Gentechnik“ machen. Ein Wunschtraum, der unerfüllt bleiben muß, wenn schon in bislang schwarzen Hochburgen Freilandversuche am Widerstand der Bevölkerung zu scheitern drohen.
Regierungsrat Hammer hat einen Schuldigen ausgemacht: Er heißt Uwe Kekeritz, ist 43 Jahre alt und sitzt für die Bündnisgrünen im Kreistag.
Als Anfang des Jahres bekannt wurde, daß der US-Konzern Monsanto auf einem Feld am Rande des beschaulichen 5.600-Einwohner-Städtchens Uffenheim genmanipulierte Zuckerrüben aussäen will, formierten sich flugs 15 Gruppen aus Politik, Kirche, Wirtschaft und Umweltschutz zu einem Aktionskreis. Sie lehnen die Rübe „Roundup Ready“, die gegen das Monsanto-Herbizid „Roundup Ultra“ resistent sein soll, rundum ab. An der Spitze des Aktionskreises stand der Umweltbeauftragte der evangelischen Kirche im Landkreis, Pfarrer Jürgen Blum, als Pressesprecher fungierte Uwe Kekeritz.
Der legte sich mächtig ins Zeug – mit Erfolg. 450 Besucher fanden in die Uffenheimer Stadthalle, wo der bayerische Umweltbeauftragte der evangelischen Kirche, Pfarrer Hennig, die Genmanipulation als „Roulette mit der Schöpfung“ geißelte. Schnell waren 5.000 Unterschriften gesammelt, die Vertreter des Bauernverbands mußten sich fortan als „Zuhälter der Chemiekonzerne“ beschimpfen lassen, und das Berliner Robert-Koch-Institut, das den Versuch genehmigen muß, wurde mit Einwendungen bombardiert.
Mit Feldbesetzung durch überwiegend SchülerInnen der Gymnasien von Uffenheim und Bad Mergentheim, änderte sich das Klima. Bei einer Pfarrkonferenz rückte der mittelfränkische Bauernverbandsvorsitzende Jürgen Ströbel die Besetzer in die Nähe der „Hafenstraße“. Da sich Aktionskreis-Sprecher Kekeritz nicht von der Besetzung distanzierte, geriet er in die Schußlinie. Der Bauernverband lehnte ihn als Gesprächspartner strikt ab und verwies auf ein Foto, das Kekeritz mit einem vermummten Feldbesetzer zeigt. Ein Uffenheimer SPD-Stadrat kehrte dem Bündnis den Rücken aus Furcht, vor den Karren der Grünen gespannt zu werden.
Pfarrer Blum, der Aktionskreis- Vorsitzende, trat aus Protest gegen „Solidaritätsbezeugungen“ einzelner Mitglieder des Bündnisses mit den Besetzern – er meinte damit Kekeritz – als Vorstand zurück. Die Besetzung sei mit dem vorab vereinbarten „gewaltfreien Widerstand“ nicht vereinbar. Die örtliche Fränkische Landeszeitung kommentierte zufrieden, daß sich nun der „Weizen von der Spreu“ getrennt habe. Geschickt brachte das Blatt die Besetzer mit anonymen Drohbriefen in Verbindung, die an den Bauern adressiert waren, der sein Feld an den US-Konzern Monsanto verpachtet hat.
„Wir lassen uns nicht in parteipolitische Konflikte verwickeln“, heißt es in der Erklärung der BesetzerInnen. Der 19jährige Schüler Sebastian betonte, daß sie „die Aussaat mit friedlichen Mitteln verhindern“ wollten, und dazu zähle für sie eben „auch eine Besetzung“. Sie fühlen sich durch die wachsende Solidarität der Bevölkerung bestätigt, die die Gruppe mit Nahrungsmitteln, Holz und Geldspenden versorgt. Zudem halten Landratsamt und Polizei eine Zwangsräumung derzeit für „nicht angebracht“.
Die Firma Monsanto jedoch hat ein Ultimatum bis morgen gestellt und droht mit Schadenersatzforderungen von 5.000 Mark für jeden. „Das schreckt uns schon, aber wir machen weiter“, heißt es bei den BesetzerInnen.
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