: Nicht mehr wie geschmiert
■ Senat beschließt neue Anti-Korruptions-Maßnahmen
Alles, was man „in 45 Minuten verzehren kann, ist keine Korruption“, zog Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) gestern die Grenze zwischen kulinarischer Verführung und unerlaubter Käuflichkeit. Dreißig Mark für die behördliche Kaffeekasse im Tausch gegen ein spezielles Nummernschild fällt somit schon unter die Kategorie Bestechlichkeit. Es könnte die „Dienststelle für Interne Ermittlungen“(DIE) auf den Plan rufen. „Fünfzehn Mitarbeiter“der insgesamt 43köpfigen DIE sind für den Bereich Korruption abgestellt, und das sei „beispielhaft für unsere Republik“, schwärmt der oberste Dienstherr der DIE, Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD).
Die im Bundesvergleich überdurchschnittlich hohe Zahl an Ermittlungsverfahren in Hamburg – 324 Fälle in 1994 und 262 in 1995 – sei nicht besorgniserregend. Vielmehr müßten sie als ein Ergebnis „intensiver Ermittlungsarbeit“der Dienststelle betrachtet werden.
Künftig soll sogar alles noch besser werden. Der Senat beschloß gestern, den Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Korruptionsbekämpfung“zu folgen. Dazu gehört eine „Anitkorruptionskonferenz“, ein interbehördliches Forum, das die Einhaltung der Neuerungen kontrollieren und Informationsflüsse koordinieren soll. Außerdem sollen Nebentätigkeiten eingeschränkt werden, sobald das Bundesgesetz dies zuläßt.
Oberstes Ziel: „korruptionsresistente Verwaltungsabläufe“. Gegenzeichnen – das „Mehr-Augen-Prinzip“– soll käuflichen MitarbeiterInnen des Öffentlichen Dienstes ihre Nebeneinkünfte vergällen. Den Angestellten des Eimsbütteler Bauamtes Volker M. hatte das nicht abhalten können. Er knackte – wie just gestern bekanntgeworden war – das Computer-Codewort seines Gegenzeichners und überwies 1,4 Millionen Mark auf das Konto seines Komplizen. „Eigen-Korruption“heißt das im Fachjargon. Mißtrauisch wurden nicht die Kollegen, sondern eine Bankangestellte.
Insbesondere der korruptionsanfällige Baubereich soll besser kontrolliert werden. Firmen, die ihre Wettbewerbschancen gegen Bares verbessern wollen und erwischt werden, sollen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.
Anlaß für die Reformen waren Korruptionsskandale mit mehreren hundert Fällen in den vergangenen zehn Jahren. Dazu gehören der „Hamburger Bauskandal“, die geschmierten Nachlaßpflegeschaften im Bereich Justiz und der gegen Bares ausgestellten Aufenthaltsgenehmigungen in der Ausländerbehörde. Silke Mertins
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