piwik no script img

Die Fließbandarbeiterin

Bajraj Ema. Brezeln backe ich hier seit drei Jahren. Ich komme aus dem ehemaligen Jugoslawien, bin aber schon acht Jahre in Deutschland und 44 Jahre alt. Mein Mann und meine zwei Kinder sind auch hier.

Jeden Tag mache ich immer acht Stunden Brezeln. Im Winter geht es mit der Temperatur, aber im Sommer... Machen nur Brezeln... nur Brezeln, immer die gleiche Bewegung... hier hat man keine Zeit zum Spaßmachen. Um neun Uhr machen wir hier eine Pause. Wir sind zu viert und dann noch der Meister. Der Meister macht für die große Maschine da hinten den Teig. Von dieser Maschine wird der Teig in kleine Kugeln gedrückt, und die fallen dann im Sekundentakt auf das Band. Dieses Band mit den Kugeln läuft hier unter eine Stange durch, wobei die Kugeln, weil die Stange so niedrig ist, plattgedrückt und dann zu Teigschlangen gerollt werden.

Dann bekommen diese Teigschlangen, sobald sie diese Klappe mit der Einbuchtung passiert haben, wegen dieser Einbuchtung den typischen schwäbischen Brezelbauch gemacht, läuft alles automatisch. Ja, so kommen also diese Schlangen an, und wir stehen dann hier den ganzen Tag und schnappen eine Teigschlange nach der anderen, so schnell kann man das gar nicht sprechen, sind die Brezeln schon gewickelt und auf dem Blech. Dann bringen wir es auf den Stapel zu den anderen, die schon fertig sind.

Als Kind war ich einmal im Kino, da lief ein Film von Chaplin, kennen Sie Chaplin? Damals habe ich darüber gelacht. Hier ist keine Zeit zum Reden. Wir machen so 20.000 bis 25.000 Brezeln am Tag. Wenn ich langsam bin, müssen meine Kollegen hier mehr schaffen, außerdem ist das nicht gut für den Teig.

Ich habe keine Bäckerlehre oder -schule gemacht. Drei Wochen habe ich hier im Betrieb gelernt, was es an diesem Arbeitsplatz zu tun gibt. Ich war früher auf einer Schule in Jugoslawien. Ich kann ein bißchen lesen und ein wenig schreiben, aber nicht ganz richtig. Meine Kinder gehen jetzt in die Schule, und da kann ich mitlernen. Jetzt ist es schon besser geworden.

Das Geld muß reichen, wir haben eine kleine Wohnung, müssen aber viel Miete zahlen, mein Mann arbeitet auch. Wir haben viele Abzüge. Unsere Aufenthaltsgenehmigung ist unbefristet. Freunde haben wir nicht viele hier. Aber ich habe meine Familie und die Nachbarin. Morgens gehe ich schon vor fünf aus dem Haus, fange hier um halb sechs an bis mittags um halb drei, manchmal etwas länger, wenn es im Betrieb Störungen gibt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen