Wer das Leben über hat...

■ ...fährt Golliath, eine Limousine, ein Lumpenlaster, ein fast vergessenes Bremer Auto

Die Geschichte erinnert an den Niedergang der Vulkan-Werft: Zuerst stiegen die Verluste. Obwohl der Bremer Senat dem angeschlagenen Konzern mehrfach mit Millionenbeträgen unter die Arme griff, stand dieser irgendwann vor der Pleite. Eine entsprechende Zeitungsmeldung läutete die letzte Runde ein: Die Lieferanten bestanden auf sofortiger Bezahlung gelieferter Ware. Die Nachfrage ging schlagartig zurück. Liquidationsverfahren. Anschlußkonkurs. Die Geschichte steht in einem Buch mit dem Titel „...und wer das Leben über hat, fährt Goliath“. Sie hat sich Anfand der 60er schon einmal in Bremen abgespielt – als Borgward unterging.

Es gibt offenbar eine unbewältigte Bremer Borgward-Vergangenheit. Denn immer, wenn über die Geschichte des Bremer Autobaus Bücher geschrieben werden, unterliegt ihnen dieser gewisse depressive Grundton: Tolle Autos waren das damals, wunderschön, technisch innovativ, sie kamen an, wurden gekauft – und dennoch, Borgward ging unter. Dabei war der Konzern in Wirklichkeit gar nicht pleite. Ein Dolchstoß war's, jawoll!

Wer den Dolch warum führte, ist nicht das eigentliche Thema des Buches von Peter Kurze (der auch schon „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“publizierte). Es geht vielmehr um die Firmengeschichte eines Mitglieds der Borgward Gruppe, dessen Leben von übersichtlicher Kürze war: um Goliath, neben Lloyd und Borgward die dritte Bremer Tochter der weltweit operierenden Borgward-Gruppe. Goliath war schon 1948 von Carl F.W. Borgward gegründet worden und versah Handwerksbetriebe und kleine Fuhrleute mit ihrem ersten erschwinglichen Nachkriegslaster: dem Goliath-Dreirad. Noch in den 70ern begegnete man dem „Goli“als Lumpensammler-Laster („Lumpen, Eisen und Papier!“).

Mit 14 PS heulte der zweitaktende Goliath durchs Land – ein Arbeitstier fürs Wirtschaftswunder. Wenig später gab es auch eine schmucke Goliath-Limousine, die die Lücke zwischen dem winzigen Lloyd und dem dicken Borgward schließen sollte. Sie war teuer und schluckte viel Benzin, war aber später, als sparsamerer Einspritzer, recht beliebt. Leider (aus der Sicht eines heutigen Image-Designers: natürlich!) belastete den Goliath-PKW der Arbeitstier-Geruch. Er verkaufte sich erheblich besser, als man ihn „Hansa“nannte.

Ein schönes Beispiel für die hemdsärmelige Autoproduktion jener Jahre war die Markteinführung der Arabella von Lloyd (vorgestellt im Bremer Parkhotel). Unter dem Druck der schnelleren Konkurenz (BMW 700 Coupe NSU Junior, Renault Dauphine) kam sie halbfertig in die Verkaufsräume. Für Image und Absatz war es eine Katastrophe, daß regelmäßig Wasser im Fußraum stand und faulte und das Getriebe schepperte. Die miserablen Verkaufszahlen versuchte man dann ausgerechnet mit einer kräftigen Preiserhöhung zu kompensieren.

„...und wer das Leben über hat, fährt Goliath“ist nicht nur ein Buch für Borgward-Fans. Es ist auch – nicht zuletzt durch die Zeichnungen des Goliath-Grafikers Wilhelm Heidmann – ein Buch über 50er-Jahre-Design. Es ist ein Buch voller schraubender und diskutierender Männer und zu den Neuwagen trippelnder Frauen. Und ein Buch über eine Zeit ohne Windkanal, als der Firmendirektor mit seinem Privatwagen einen Prototypen mit 120 Sachen über die Autobahn Bremen-Hamburg zerrte und so dessen Luftwiderstand bestimmte.

Schließlich unterrichtet uns das Buch davon, daß es einen Goliath Rennwagen gab (668 ccm, 42 PS, 179 km/h). Mit ihm stellte der Rennfahrer Hugo Steiner zahlreiche Weltrekorde auf. Der despektierliche Spruch zum Goliath, an den der Buchtitel erinnert, traf auf Steiner zu: Er starb auf dem Hockenheimring im Renngoliath.

BuS

Peter Kurze, ...und wer das Leben über hat, fährt Gooliath. Autos aus Bremen – Band II – Lloyd Arabella und Goliath Personenwagen. 104 S., 341 Abb., DM 34,80