■ Bonn apart: Allwissende Politiker
Politiker gehören zu den letzten Generalisten. An einem Tag müssen sie etwa über das Schicksal von Millionen von Rindern befinden, weil ein ungewisser Teil davon mit BSE infiziert ist, wodurch die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ausgelöst werden könnte. Da müssen sie möglichst Tierarzt sein und Humanmediziner und am besten gleich Gott. Schon am nächsten Tag müssen sie über den Transrapid entscheiden. Dafür sollten sie Verkehrsingenieure sein. Weil das aber möglicherweise einer positiven Entscheidung entgegensteht, müssen sie gleichzeitig Finanzakrobat, Lobbyist und vor allem Zocker sein. Woher sonst sollten sie den Mut nehmen, 10 Milliarden Mark Steuergelder auf Rot zu setzen? Rien ne va plus – vielleicht geht's ja gut.
Die Steuerreform erfordert den Banker und den Wirtschaftswissenschaftler. Besonders wichtig ist der Wahlforscher. Schließlich geht es weniger um die Finanzierbarkeit von Steuersenkungen als darum, den arithmetischen Zusammenhang zwischen der apokalyptisch verlaufenden Steuerlastquote und der depressiv geneigten Wählerempfindlichkeit progressiv in Wählerstimmen umzusetzen. Politiker sind also Alleskönner. Doch dann hat die Fernsehsendung „Panorama“ unser Weltbild erschüttert. Auf die Frage nach den Euro-Beitrittskriterien antworteten einige Bundestagsabgeordnete so, als wären sie Alkoholiker. „Die Staatsverschuldung... also wissen Sie, wenn ich nach Hause komme, dann weiß mein Mann mehr über die Weltgeschichte als ich“, sagte XY. Und: „Ja ... das..., nee, weiß ich... wissen..., eigentlich kenne ich sie ja, und trotzdem wüßte ich sie im Moment nicht“, antwortete ein Kollege. Und Sie, sagen Sie mal die Beitrittskriterien: „Wer? Ich? ... muß das ... bin schließlich kein Politiker. Sondern Journalist.“ Markus Franz
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