"Impulse für Deutschland"

■ Der SPD-Abgeordnete Günter Verheugen empfiehlt seiner Partei, von Tony Blairs Professionalität im Wahlkampf und der Konzentration auf die politische Mitte zu lernen

taz: Herr Verheugen, Ihre Parteifreunde Gerhard Schröder und Franz Müntefering haben den Wahlausgang in Großbritannien dem Sinne nach mit den Worten kommentiert: „Von Tony Blair lernen heißt siegen lernen.“ Stimmen Sie zu?

Günter Verheugen: Ja, natürlich. Das bezieht sich aber meiner Meinung nach nicht auf die Programmatik und auf die ideologische Veränderung der Partei, die ihren Abschluß fand in dem neuen Namen New Labour. Labour hat damit nur etwas nachvollzogen, was andere Parteien, auch die SPD, längst geleistet haben. Das Lernen bezieht sich auf die Art der Darstellung, auf die Professionalität des Wahlkampfs und die Konzentration auf bestimmte Aussagen und den Spitzenkandidaten. Außerdem bezieht es sich auf die Erkenntnis, daß eine sozialdemokratische Partei Wahlen nicht an den Rändern, sondern nur in der gesellschaftlichen Mitte gewinnen kann.

Tony Blair wird hier oft als Politiker charakterisiert, der eher einen Kurs wie der niedersächsische Ministerpräsident Schröder vertritt als eine Linie wie der SPD- Vorsitzende Lafontaine.

Solche Vergleiche sind wenig hilfreich. Meistens werden sie von Leuten angestellt, die weder das Programm der britischen noch das der deutschen Sozialdemokraten kennen. Im Grundsatz sehe ich keine wesentlichen Unterschiede zwischen allen drei Politikern. Sie alle treten ein für eine Politik der Modernisierung und der Reformen unter Wahrung der sozialdemokratischen Grundwerte Gerechtigkeit und Solidarität.

Jürgen Trittin von den Grünen meint, Blairs Sieg sei ein Signal dafür, daß das Zeitalter der Neoliberalen zu Ende gehe.

Das halte ich für zu optimistisch. Ich glaube nicht, daß heute noch mit Wahlen in einem Land gleichzeitig die ganz großen Trends der internationalen Politik mitgewählt werden. Es gibt in diesem Sinne auch keine Richtungswahlen mehr, weil es keine so grundsätzlich gegensätzlichen Politikentwürfe mehr gibt wie früher. Deshalb spielen die Gesichtspunkte Kompetenz, Vertrauen und soziale Balance heute eine besonders große Rolle.

Es geht also mehr um Wahl der Personen als der Programme?

Das ist eine Entwicklung, die wir schon länger registrieren. Der Wahlkampf in Großbritannien war der erste Wahlkampf in Europa, der ganz nach dem Vorbild der USA geführt wurde. Erzwungen wird das eher durch die Bedürfnisse des Medienzeitalters als durch die politischen Anforderungen. Auch in Deutschland wird sich diese Entwicklung verstärken. Das ist allerdings nichts, worüber ich jubeln kann.

Halten Sie den Wahlausgang insgesamt für ein Signal für sozialdemokratische Parteien anderer europäischer Länder?

Da bin ich ganz sicher. Dieser Wahlsieg wird Impulse aussenden nach Frankreich und auch nach Deutschland, schon allein deshalb, weil er Zuversicht und Hoffnung bei den Sozialdemokraten stärkt. Und die sind nötig, um Erfolg zu haben. Interview: Bettina Gaus