Es fehlt die Einigkeit der Senatoren

■ Interview mit der bündnisgrünen Abgeordneten Michaele Schreyer: Für die Verwirklichung von Senator Strieders Ziel fehlen derzeit die Voraussetzungen

taz: Frau Schreyer, das Planwerk Innenstadt verspricht Wohnungsbau in der Innenstadt, neue Bauherren, Nutzer als Eigentümer. Das klingt gut. Ist das realistisch?

Michaele Schreyer: Wenn die Politik das wirklich will, kann man das machen, und zwar für all die Flächen, die sich in Landeseigentum befinden. Das heißt aber, daß die Nutzung planungsrechtlich festgelegt werden muß. Und man muß darauf verzichten, den höchstmöglichen Bodenpreis erzielen zu wollen.

Wenn Straßenland oder öffentliche Flächen in Bauland umgewidmet werden, leben Ansprüche von Alteigentümern wieder auf. Das heißt, die Alteigentümer müssen im Falle eines Investitionsvorrangverfahrens vom Land Berlin zum Verkehrswert entschädigt werden. Wenn man dann gleichzeitig sagt, man will um der städtebaulichen Zielsetzung „Wohnen in der Innenstadt“ willen keinen Marktpreis erzielen, macht das Land doch Verluste?

Wenn es dort berechtigte Alteigentümeransprüche gibt, dann haben die Alteigentümer den Anspruch auf den Verkehrswert. Wenn das Land nun sagt, man will statt der zwanziggeschossigen Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft nur dreigeschossige Wohnhäuser bauen, dann liegt der tatsächlich zu erzielende Preis deutlich unter dem Verkehrswert. In diesem Fall würden die Alteigentümer aber nur zu dem Preis entschädigt, den das Land Berlin mit dem Verkauf des Grundstücks an Dritte tatsächlich erzielt. Bisher ist im Zusammenhang mit dem Innenstadtkonzept aber noch überhaupt nicht begutachtet worden, über welche Flächen der Senat verfügen kann und welche Flächen Privaten gehören. Ebensowenig ist bislang untersucht, welche Instrumentarien man anwenden könnte, um die Nutzungen, die man dort haben will, zu realisieren. Klar ist nur, daß das Land mit den Grundstücksverkäufen keinen Reibach machen kann.

Wie kann man verhindern, daß große Immobiliengesellschaften oder institutionelle Anleger wie Banken und Versicherungen die Grundstücke aufkaufen?

Das ist eine Frage des politischen Willens. Man könnte zum Beispiel sagen, man verkauft nur in Parzellengröße, man verkauft nur an Eigennutzer oder nur zu Wohnzwecken und höchstens zu 20 oder 30 Prozent gewerblicher Nutzung. Außerdem erlauben Verträge eine ganz lange Bindung dieser Nutzung. Aber das setzt voraus, daß sich der Senat, und zwar Stadtentwicklungssenator Strieder, Bausenator Jürgen Klemann (CDU) und Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), einig sind. Das sehe ich allerdings nicht so.

Wer bezahlt die Infrastrukturmaßnahmen im Falle einer Umsetzung des Leitbilds Nutzer als Eigentümer?

Man muß sich zunächst entscheiden, welches Ziel höherrangig ist: das der Urbanität oder das Ziel, möglichst viel Geld in der Kasse klingeln zu hören.

Möglichst viel Geld kommt rein, wenn man die höchstrentierlichen Nutzungen realisiert, also an Banken verkauft. Dann aber hat man dem Ziel der Urbanität einen Bärendienst erwiesen. Im anderen Falle heißt das natürlich, daß die Preise gerade mal so hoch sein können, daß man damit die Erschließungskosten finanziert. Das ist dann eine Frage der Abwägung.

Nun hieß es auch in der Friedrichstraße, man möchte den Stadtteil revitalisieren, Urbanität schaffen. Es ist gründlich mißlungen. Was will man im historischen Zentrum besser machen?

Bei den Grundstücksverkäufen am Potsdamer Platz und in der Friedrichstraße gab es zwar immer die Lippenbekenntnisse zur Urbanität einerseits. Andererseits hat die Politik sich da als willfährig gegenüber den Developern und Investoren erwiesen.

Daß für die Frage, welche Nutzungen kommen, nicht der Bodenpreis ausschlaggebend ist, zeigt das Beispiel Potsdamer Platz. Bei dem Preis hätte da heute eine sehr viel niedrigere Ausnutzung und auch eine sehr viel kleinteiligere Nutzungsmischung entstehen können. Bei der Friedrichstraße waren die Bodenpreise tatsächlich exorbitant hoch, so daß dort keine bezahlbaren Wohnungen entstehen konnten. Es kommt also auf die Kombination der Bodenpreise mit dem politischen Willen an.

Nun gibt es das Instrument der Entwicklungsgebiete, mit denen städtebauliche Zielsetzungen durchgesetzt werden sollen. Halten Sie das für ein praktikables Modell auch für die Innenstadt?

Das sehe ich eigentlich nicht. Dieses Instrumentarium kann nur Anwendung finden, wenn ein größeres Areal erst einmal strukturiert und entwickelt werden soll. Es läßt sich nicht anwenden, wenn Teilbereiche in einem funktionierenden Stadtteil verändert werden sollen.

Das Instrumentarium verpflichtet andererseits dazu, die Grundstücke von Privaten zu kaufen, die sich dem Procedere verweigern. Bisher haben wir keine besonders guten Erfahrungen mit diesem Instrumentarium gemacht.

Wie kann man verhindern, daß zunächst Freiflächen wie am Alexanderplatz bebaut werden und der Rückbau der großen Straßenschneisen unterbleibt?

Wahrscheinlich geht das nur, indem man Bausenator Jürgen Klemann absetzt. Interview: Uwe Rada