: Rollstühle: Zuuuurückbleiben!
■ BVG plant wegen Geldmangels nicht mehr bei allen U-Bahnhof-Sanierungen Aufzüge ein. Damit verstoßen die Verkehrsbetriebe gegen die Vorschriften zum behindertengerechten Bauen
Die BVG verstößt bei der Renovierung von U-Bahnhöfen auf der Linie 6 gegen die Vorschriften zum behindertengerechten Bauen. Denn obwohl die 1992 vom Senat vorgelegten „Leitlinien zum Ausbau Berlins als behindertengerechte Stadt“ bei der Sanierung von Bahnhöfen den Einbau von Aufzügen vorsehen, plant die BVG eben dies bei der im Sommer anstehenden Sanierung der Bahnhöfe Scharnweberstraße, Seidelstraße und Holzhauser Straße in Reinickendorf nicht ein. Eine entsprechende Antwort der Verkehrsverwaltung auf eine kleine Anfrage im Parlament hat die BVG jetzt bestätigt.
Als Grund für das Fehlen der Aufzüge nennt BVG-Sprecher Klaus Watzlak die Finanznot Berlins und der BVG. „Wir verwalten eben ein tiefes Loch. Die Aufzüge sind so teuer, daß wir nicht gleichzeitig eine Sanierung und den Einbau der Lifts bezahlen können“, meint er. „Doch wir treffen jetzt die Vorbereitungen, um die Aufzüge einzubauen, wenn das Geld da ist.“ Ein Festhalten an den Lifts hätte nach seiner Auskunft bedeutet, die Sanierung der Bahnhöfe zu verschieben. Bei der BVG gebe es zwei Prioritätenlisten, die nicht immer übereinstimmten; eine für die Sanierung und eine andere für den Einbau von Aufzügen, der pro Stück rund 4 Millionen Mark koste. „Da setzen wir bei den knappen Kassen Prioritäten und bauen lieber Lifts in den stark frequentierten Umsteigebahnhöfen.“ Bei der Verkehrsverwaltung habe die BVG für die vollständige Umsetzung der Richtlinie 400 Millionen Mark angefragt.
Von dieser Anfrage ist Fritz Herbst von der Verkehrsverwaltung nichts bekannt. „Bisher hat die BVG diese Einbauten aus ihren Eigenmitteln bestritten. Wenn sich das ändert, müssen wir mit der BVG darüber reden“, meint Herbst. Zwar müsse überlegt werden, wo bei leeren Kassen bei solchen Maßnahmen vorrangig gebaut werde, doch an ein Aufweichen der Richtlinie denke die Verkehrsverwaltung nicht, so Herbst.
Von einer Prioritätenliste ist in den „Leitlinien“ nicht die Rede. Dort heißt es: „Alle neuen U-Bahnhöfe müssen grundsätzlich so gebaut werden, daß sie von Menschen im Rollstuhl ohne fremde Hilfe erreicht werden können. Bei Grundsanierungen, Umbau oder Rekonstruktion vorhandener Bahnhöfe soll das entsprechend gelten.“
„Geld ist da, es müssen Prioritäten gesetzt werden“, kritisiert der grüne Verkehrspolitiker Michael Cramer. So sei für die 4,2 Millionen Mark teure „Luxussanierung“ des U-Bahnhofs Ernst-Reuter-Platz – ohne Aufzüge – und für die 3,5 Millionen Mark teuren neuen Haltestellenschilder Geld vorhanden. Bahnhöfe sollten nur dann saniert werden, wenn auch das Geld für Aufzüge vorhanden sei, so Cramer. „Immerhin sind rund 20 Prozent der BVG-Kunden mobilitätsbehindert – Rollstuhlfahrer, Alte und Gebrechliche, Frauen mit Kinderwagen und Kranke.“
Die Präambel der Leitlinien fordert „politische Grundsatzentscheidungen und Umsetzungsstrategien, die direkte praktische Relevanz erhalten müssen“. Die Regelung wurde vom Parlament verabschiedet, doch wie wenig sie im wirklichen Leben wert ist, war dem Senat damals schon bewußt: „Angesichts des sich drastisch verringernden Finanzspielraumes Berlins“, schrieben der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und die damalige Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) in der Mitteilung an das Parlament im September 1992, „sind Aussagen darüber, ob und in welchem Umfang die Leitlinien im öffentlichen Bereich umgesetzt werden können, nicht möglich.“ Bernhard Pötter
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