Vorwärts mit Norbert Blüm!

■ SPD will Rente zum Wahlkampfthema machen

Der Satz ist so häufig gefallen, daß ihn kaum noch jemand hören mag: „Die Rente ist sicher.“ Selbst Norbert Blüm kommt der Ruf nicht mehr locker über die Lippen. Der Rentenexperte der SPD, Rudolf Dreßler, aber hat den Glaubenssatz auf seine Art variiert und warnt vor „Überdramatisierungen“. Die Lage sei nicht so schlimm, wie sie die Regierung darstelle. An dieser Einschätzung orientiert sich auch das Rentenkonzept der SPD. Ein paar Korrekturen müßten her, aber das Ganze soll bleiben.

Nun wissen viele längst, daß die Rentendebatte nur das Vorspiel für eine umfassende Rentenreform sein wird. An deren Ende könnte eines Tages die über Steuern finanzierte Grundrente stehen. Dagegen liegen Blüm und Dreßler in der Sache gar nicht so weit auseinander. Beide begreifen sich als Bewahrer des bestehenden Solidarprinzips, also der Finanzierung der jetzigen und künftigen Renten durch die Erwerbstätigen. Was sie trennt, sind sozialpolitische Feinheiten. Knackpunkt ist vor allem der Plan der Koalition, das Rentenniveau schrittweise von jetzt 70 auf 64 Prozent abzusenken. In den Genuß käme allerdings nur, wer auch 45 Jahre lang Beiträge gezahlt hat. Doch wer kann das noch? Dreßlers Sorge, viele Pensionäre könnten künftig auf den Sozialhilfesatz absacken, ist nicht unberechtigt. Das zentrale Problem aber ist: Wie soll das Rentenniveau gehalten werden?

Die SPD setzt auf klassische Steuerungspolitik: Der Bundeszuschuß in die Rentenkasse solle erhöht werden. In Zeiten knapper Haushaltsmittel klingt diese Forderung nur noch phantastisch. Selbst Dreßler scheint sie wohl nicht mehr allzu ernst zu nehmen. Wie anders ist zu erklären, daß er vor einigen Wochen eine Wendung vollzog: Überraschend plädierte er für einen aus Rentenbeiträgen angesparten Kapitalstock, der ab 2015 die Rentenkasse entlasten soll. Eine Idee übrigens, mit der junge CDU-Abgeordnete innerhalb ihrer Partei gescheitert waren. Dreßler bewies an diesem Punkt ungewohnte Flexibilität. Nun folgte der Rückfall.

Zudem deutete Dreßler an, daß die Rente zu einem Wahlkampfthema werden könnte. Davon aber sollte er besser die Finger lassen. Oder will die SPD wirklich mit dem Motto in den Wahlkampf ziehen: „Bei uns sind die Renten sicher“? Severin Weiland

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